Inland

Konkurrenzkampf bei der Bahn: Was bei einem längeren Streik droht

Bei der Bahn rollen die Züge wieder, doch die nächsten Streik-Aktionen werden bereits angekündigt. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte am Ende groß sein. Und auch die Bahn-Beschäftigten haben einiges zu verlieren.
von Kai Doering · 13. August 2021
Zugaausfälle, die teuer werden können: Dauert der Bahnstreik an, drohen hohe Kosten für die Unternehmen.
Zugaausfälle, die teuer werden können: Dauert der Bahnstreik an, drohen hohe Kosten für die Unternehmen.

Die erste Welle des GDL-Streiks bei der Bahn ist vorüber. Seit Freitagmorgen rollen sie Züge wieder. Ob und wann es zu weiteren Ausständen kommt, ist bisher ebenso unklar wie der wirtschaftliche Schaden, den die zwei Streiktage verursacht haben. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat errechnet, dass Unternehmen Streiks von drei bis vier Tagen zwar ausgleichen könnten, längere Verzögerungen aber zu Schäden von bis zu 100 Millionen Euro pro Tag führen könnten.

Der Ökonom Gustav Horn hält diese Zahl zwar für recht hoch gegriffen, aber nicht für vollkommen unrealistisch. „Die Bahn ist ein Schlüsseltransporteur für die Unternehmen in Deutschland“, sagt er. Die meisten würden sich kein großes Lager leisten, sondern auf „Just-in-time“-Lieferungen setzen, die bei einem längeren Streik nicht mehr gewährleistet seien. „Lieferketten können schnell reißen“, weiß Horn. Im schlimmsten Fall drohe ein Stillstand der Produktion.

Konkurrenz der Gewerkschaften als Problem

Als Ursache des Streiks sieht Gustav Horn ein strukturelles Problem bei der Bahn: den Konkurrenzkampf zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), bei der das Gros der Mitarbeiter*innen organisiert ist, und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die zurzeit mit der Bahn über einen neuen Tarifvertrag verhandelt. „Die Lokführer werden zu schlecht bezahlt“, zeigt Gustav Horn zwar „volles Verständnis“ für die Lohnforderungen der GDL. Doch plädiert er für eine gemeinsame Lösung des Tarifkonflikts unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

„Gewerkschaftskonkurrenz ist fast immer hässlich“, sagt Horn mit Verweis auf Erfahrungen aus Großbritannien, wo Dauerstreiks in den 1970er Jahren das Land lahmlegten, und die Weimarer Republik. „Die Unternehmen spielen durch den Konkurrenzkampf ein riskantes Spiel und auch die Arbeitnehmer könnten am Ende verlieren“, fürchtet Gustav Horn.

Tarifeinheitsgesetz könnten den Konflikt befrieden

Der aktuelle Tarifstreit bei der Bahn dreht sich aus seiner Sicht auch nur Vordergründig um die Forderung nach mehr Geld. „Es ist die letzte Möglichkeit für die GDL, einen Vorsprung gegenüber der EVG herauszuholen, bevor das Tarifeinheitsgesetz greift.“ Das besagt nämlich, dass in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft gilt, die die meisten Mitglieder stellt. In rund 300 Einzelbetrieben der Bahn sind das von der GDL nur 16. Die Bahn hat das Gesetz bis zum vergangenen Jahr nicht angewandt, inzwischen aber mit der Umsetzung begonnen.

„Auf Dauer wird das die Bahn eher befrieden“, ist Gustav Horn überzeugt, auch wenn es zurzeit zu einem der heftigsten Bahnstreiks der vergangenen Jahre führt. Wie lange sich die Auseinandersetzung hinziehen wird, wagt bisher niemand vorherzusagen. Die GDL hat bereits angekündigt, nach einem „Protesttag“ in Berlin in der kommenden Woche erneut streiken zu wollen, sollte die Bahn kein verbessertes Angebot vorlegen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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