Konjunkturhilfe nach Corona-Krise: SPD fordert Schuldenschnitt für Kommunen
imago images/Reiner Zensen
Mit öffentlichen Finanzen kennt sich Norbert Walter-Borjans aus. Er war schon Stadtkämmerer von Köln und Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Der SPD-Vorsitzende kennt die Probleme der Städte, auf denen hohe Kassenkredite lasten. Sie hätten „Schulden, aber keine Schuld“, sagt er. Finanzprobleme drohen mittlerweile auch den eigentlich wohlhabenden Städten und Gemeinden, weil wegen der Corona-Krise die Steuereinnahmen einbrechen. Deshalb, so appellierte Walter-Borjans am Freitag an die anderen Parteien, müsse man nun „Hand in Hand arbeiten“, um den Kommunen zu helfen.
Scholz-Plan für Kommunen
Ein Konzept für ein Hilfspaket gibt es bereits. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat es vor ein einigen Tagen vorgelegt. Die Eckpunkte: Den Kommunen sollen ihre Gewerbesteuerausfälle in Höhe von 11,8 Milliarden Euro ersetzt werden. Weitere 45 Milliarden Euro will Scholz aufwenden, um die Kassenkredite überschuldeter Kommunen zu übernehmen. Die Kosten sollen sich der Bund und das jeweilige Bundesland jeweils zur Hälfte teilen.
Gegenwind bekommt Scholz vor allem aus Bayern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte begrenzen. Jetzt Altschulden der Kommunen zu tilgen sei sicher der falsche Weg, meint Söder. Den Einwand lässt der SPD-Chef nicht gelten. „Die 45 Milliarden Schulden sind ja da“, wendet er ein. Nur seien sie bei den Kommunen verbucht, die schlechtere Zinskonditionen hätten als der Bund.
Außerdem verweist Walter-Borjans darauf, dass die leeren Kassen der Kommunen auch der Wirtschaft schaden. Es müssten jetzt gute Bedingungen für Unternehmen geschaffen werden. Das Baugewerbe sei darauf angewiesen, dass die Verwaltungen leistungsfähig sind und Baugenehmigungen bearbeiten können. Auch die Investitionsfähigkeit des Staates selbst müsse gestärkt werden. Dafür bräuchten die Kommunen nicht nur finanzielle Spielräume, sondern auch qualifiziertes Personal, das angemessen bezahlt werden kann.
Aus der Schuldenfalle gibt es kaum ein Entrinnen
Aus eigener Kraft kommen überschuldete Städte nicht mehr aus der Misere heraus. Das macht Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) am Beispiel seiner Stadt deutlich. Selbst Einsparerfolge würden nicht weiterhelfen. Für die Sanierung von Schwimmbädern und Schulen oder für den Öffentlichen Nahverkehr sei kein Geld da, weil jeder gesparte Euro in die Schuldentilgung fließt. Also sei man gezwungen Grund- und Gewerbesteuersätze hochzuhalten. Das schrecke Unternehmen davon ab sich anzusiedeln, wirke also kontraproduktiv.
Duisburg habe 1,3 Milliarden Euro Altschulden. 700 Millionen davon seien in den Aufbau Ost geflossen, sagt Link. Eine Ursache für die schlechte Kassenlage sei auch der Strukturwandel im Ruhrgebiet. In den letzten Jahrzehnten seien allein in Duisburg 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
SPD-Chef Walter-Borjans betont deshalb: „Solidarität ist keine Einbahnstraße“. Damit richtet er sich nicht nur an die östlichen Bundesländer. Auch Bayern habe zwischen den 1950er und 70er Jahren von der Unterstützung unter anderem aus Nordrhein-Westfalen profitiert.
Warum die SPD will Altschulden und Steuerausfälle zusammen angehen will
Eigentlich hat die SPD die Altschuldenhilfe bereits im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Doch um die genaue Ausgestaltung wird seit vielen Monaten gerungen. Das Problem: Manche Landesregierungen sehen nicht ein, warum sie einem Hilfspaket des Bundes zustimmen sollen, von dem sie selbst kaum profitieren. Die überschuldeten Kommunen liegen nämlich nicht gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt, sondern ballen sich vor allem in Bundesländern wie NRW, Rheinland-Pfalz oder Saarland.
Weniger umstritten ist der Plan, den Kommunen die Gewerbesteuer zu ersetzen. Theoretisch könnte Scholz diesen Teil des Paketes also abtrennen, um ihn schneller durch Bundestag und Bundesrat zu bekommen. Aus Sicht der SPD wäre das jedoch ungerecht. Denn davon würden vor allem die wohlhabenden Kommunen profitieren, die in normalen Zeiten überdurchschnittliche Steuereinnahmen verzeichnen. Walter-Borjans warnt davor, „den sehr gut verdienenden Kommunen ihre Steuerausfälle zu ersetzen und die anderen da zu lassen, wo sie sind“. Man dürfe die Kommunen nicht auseinanderdividieren.
Ähnlich äußert sich der ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen stammende SPD-Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup. Die Kommunen seien in Deutschland systemrelevant. Es gelte nun die Frage zu beantworten: „Sind wir in Deutschland noch zu einer großen solidarischen Leistung in der Lage?“
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.