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Konjunktur und Klimawandel: So wird die Klimawende ein Erfolg

Das Klimapaket ist zu zaghaft. Soll die Klimawende gelingen, braucht es deutlich mehr öffentliche Investitionen auch für mehr sozialen Ausgleich, sagt Sebastian Dullien von der Hans-Böckler-Stiftung. Auch eine Neuverschuldung schließt er nicht aus.
von Vera Rosigkeit · 7. Januar 2020

Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit in einem konjunkturellen Abschwung, Handelskonflikte, ein schwacher Welthandel und ein derzeit unberechenbarer Konflikt im Nahen Osten lassen Unternehmen eher zögern, Investitionen vorzunehmen. Hinzu kommt eine weitere Herausforderung durch die Klimawende: Sie stellt Konsumverhalten, Mobilität und auch Produktionsprozesse unter Veränderungsdruck.

Forscher*innen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung sehen das Wachstum der deutschen Wirtschaft in neunen Jahr bei lediglich 0,8 Prozent. In ihrer wirtschaftspolitischen Studie haben sie eine Gesamtbewertung des Klimapakets vorgenommen und zeigen auf, was getan werden muss, um die Klimawende zum Erfolg zu bringen. Es ist die erste fundierte Analyse des Klimapakets, sagt ihr wissenschaftliche Direktor Sebastian Dullien.

Beim Klimapaket nachlegen

Bereits die Anforderung, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die deutsche Wirtschaft bis 2050 weitestgehend treibhausgasneutral zu machen, führe zu einer Unsicherheit über die Zukunft wichtiger Zweige der deutschen Industrie, erklärt Dullien bei der Vorstellung der Studie am Dienstag in Berlin. Die Automobilindustrie müsse beispielsweise in den kommenden Jahren ihre Produkte grundlegend verändern, die Stahlindustrie ihre Produktionsprozesse massiv umstellen.

Gerade deshalb sei eine engagierte Wirtschaftspolitik notwendig, ist er überzeugt. Das Klimapaket, so seine Kritik, enthalte deutlich zu wenig Investitionen. „Wir warnen davor, nur auf einen CO2-Preis zu setzen“, sagt er. Anders als andere Forschungsinstitute halte das IMK eine Kombination aus CO2-Preisen mit anderen Instrumenten für zielführend.

450 Milliarden Euro Investitionen

Staatliche Investitionen seien dringend notwendig, da die Klimawende nicht über „eine Abwicklung der Industrie stattfinden“ dürfe. Denn diese sei für Beschäftigung und Einkommen wichtig und es wäre auch nichts gewonnen, würden Produkte künftig umweltschädlicher in anderen Ländern produziert.  

Öffentliche Investitionen seien aber auch in anderen Bereichen wie im Öffentlichen Nahverkehr nötig. Steigende Benzinpreise würden nicht notwendigerweise zu einem Umstieg auf klimafreundlichere Verkehrsmittel führen, sondern vielmehr einkommensschwache Haushalte belasten, die ihren „alten Benziner nicht gegen ein E-Auto eintauschen können“, betont Dullien. Damit Haushalte überhaupt ihr Verhalten klimafreundlich gestalten könnten, bräuchte es Investitionen in den ÖPNV oder in Fernwärmenetze.

450 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren – so sieht die Forderung des IMK in Zahlen aus, damit die Klimawende gelingen und der Wohlstand Deutschlands gesichert werden kann.

Mehr sozialer Ausgleich notwendig

Dabei plädiert das Institut für eine Neuverschuldung, schließlich seien dies Zukunftsinvestitionen, von denen künftige Generationen profitieren würden, so Dullien. Vor allem aber dürfte die Klimawende nicht auf dem Rücken der Ärmeren umgesetzt werden.

Die Kompensationen, die im derzeitigen Klimapakt vorgesehen sind, seien sozial nicht ausgewogen. So komme eine höhere Pendlerpauschale vorwiegend Haushalten mit höheren Einkommen zugute und auch von günstigeren Bahntickets würden Geringverdiener nicht profitieren, da für diese das Bahnfahren weiterhin zu teurer sei.

Was für das Klimapakt der Bundesregierung gilt, gilt auch für den sogenannten Europäischen Green Deal: In der von EU-Kommissionspräsidenten von der Leyen vorgelegten Liste von Maßnahmen sei viel richtiges vorhanden. So begrüßt die Expertin für Geldpolitik am IMK, Silke Tobler, das angekündigte Investitionsvolumen von 1.000 Mrd. Euro, das mobilisiert werden soll, als wichtigen Schritt. Gleichzeitig befürchtet sie Mitnahmeeffekte, weil die so zusätzlich angeregten Investitionen viel kleiner ausfallen könnten. Besser wäre es, die Klimawende durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu unterstützen. Anleihen, die klimagünstige Investitionen sollten unterstützt werden, um Finanzierungskosten zu senken.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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