Kommunalwahlen in Hessen: „Das AfD-Ergebnis ist besorgniserregend“
Liesa Johannssen/photothek.net
Nach dem Trendergebnis werden in Hessen weiter die Stimmen der Kommunalwahlen vom Sonntag ausgezählt. Zeichnen sich substanzielle Verschiebungen ab?
Ja. Es scheint so, dass nach der Auswertung der kumulierten und panaschierten Stimmen (Hierbei können alle zur Verfügung stehenden Stimmen auf verschiedene Kandidaten verteilt oder bei einzelnen gebündelt werden. Anm. d. Red.) die Sozialdemokraten eher noch mal nach oben gehen, partiell auch die CDU. Die AfD geht eher zurück.
Kreuzt der AfD-Wähler eher die Liste an statt Personen direkt zu wählen?
Ja, das ist so, während bei den großen Parteien ordentlich kumuliert und panaschiert wurde.
Der Vorsprung der CDU vor der SPD war landesweit mit 0,2 Prozentpunkten denkbar knapp. Gibt es hier einen veränderten Stand?
Da gibt es noch keinen neuen Stand. Ich sehe im Moment nur, dass sich in den Landkreisen etwas verändert. Zum Beispiel im Main-Kinzig-Kreis hatte die SPD zunächst nichts dazu gewonnen. Jetzt, nach dem Auszählen, haben wir dazugewonnen. Wir müssen aber das endgültige Ergebnis abwarten.
Dennoch ist klar, dass die AfD in vielen Orten aus dem Stand zweistellige Ergebnisse erzielt hat. Wie bewerten Sie das?
Das Ergebnis ist besorgniserregend, zumal sie vorher gar nicht präsent waren und trotzdem ein zweistelliges Ergebnis erzielen. Das muss uns Sorge bereiten. Offensichtlich ist dort vor allem gegen die etablierten Parteien gewählt worden. Und wir müssen den Menschen noch einmal sagen, dass wir als Staat handlungsfähig sind und dass das, was die AfD in ihren Parolen verspricht, keine Lösungen für die anstehenden Probleme sind.
Sind hier die Kommunen Blitzableiter geworden für die Bundespolitik?
Das scheint so zu sein. Das erklärt zumindest das AfD-Ergebnis. Dennoch muss man genau hinschauen. Es ist vor Ort auch unterschiedlich gewählt worden. Es gibt durchaus kommunale Bezüge. Dort, wo die Leute gut in der Gesellschaft verankert sind, gibt es gute Ergebnisse auch für die Sozialdemokraten. Aber das AfD-Ergebnis hat sicherlich eher mit der Bundespolitik zu tun als mit der kommunalen Ebene.
Was ist zu tun, damit die Politik wieder handlungsfähiger erscheint?
Ich glaube, dass man wieder stärker kommunizieren muss, was wir getan haben und dass keine Gruppen gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die Landespolitik, also auch Schwarz-Grün, darf nicht verkennen, dass auch gegen sie gewählt wurde – wie gesagt, gegen etablierte Parteien und Regierungen ist hier entschieden worden. Schwarz-Grün hat ja auch die Mehrheit in Frankfurt verloren, das ist schon politisch sehr bedeutsam, was in der größten Stadt Hessens passiert.
Was setzt die SPD den Rechtspopulisten entgegen?
Wir sind ja mit einer sehr klaren Haltung in diese Kommunalwahl reingegangen: die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wir werden daran festhalten und wir müssen das noch verstärken. Wir müssen den Menschen auch noch mal deutlich machen, dass wir Sozialdemokraten im vergangenen November drei wichtige Bereiche nachverhandelt haben: Zum einen für bezahlbaren Wohnraum, für den Ausbau der Ganztagsschulen haben wir noch einmal Geld in den Haushalt hineinverhandelt und für den Übergang von der Berufsschule ins Berufsleben wurde noch einmal mehr Geld zur Verfügung gestellt. Der dritte Bereich war die innere Sicherheit, die auch wichtig für die Menschen ist und sie umtreibt. Wir haben dafür gesorgt, dass noch einmal mehr Polizeibeamte in Hessen eingestellt werden.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass diese Botschaften ankommen?
Man muss mit den Menschen reden und deutlich machen, dass keine Gruppen gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
Ist das hessische Wahlrecht reformbedürftig?
Ja, das glauben wir schon. Wir machen ein Gesprächsangebot an alle Fraktionen und glauben, dass es alle annehmen werden. Das Kumulieren und Panaschieren ist sehr komplex. Viel Menschen haben schon im Vorfeld gefragt, wie geht man damit um. Je größer die Stadt, desto größer der Wahlzettel und desto größer die Probleme. Vielleicht hat auch der Rückgang der Wahlbeteiligung damit zu tun. Wir glauben schon, dass wir das Wahlsystem vereinfachen müssen.
Wird diese hessische Kommunalwahl eine Auswirkung auf die am Sonntag anstehenden Landtagswahlen haben?
Ich glaube schon ein Stück weit. Es ist ja bundesweit auf diese Kommunalwahl reagiert worden. Das ist sonst nicht so. Deshalb glaube ich schon, dass es auf die Frage der Mobilisierung der Wähler eine Auswirkung haben wird. Das kann man auch an der hessischen Kommunalwahl ablesen: Je höher die Wahlbeteiligung, desto geringer war das Abschneiden der AfD.
Das Interview erschein mit freundlicher Genehmigung der „DEMO – demokratische Gemeinde“.
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.