Kommunalwahl: „Wahlplakate wird es noch in hundert Jahren geben.“
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Zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben Sie wieder Ihre gefürchtete Reihe „Wahlplakate from Hell“ gestartet, in der Sie dazu aufrufen, Ihnen Fotos von besonders skurrilen Plakaten zu schicken, die sie auf ihrer Internetseite zeigen. Wie ist die Ausbeute bisher?
Meine Erwartungen sind in Nordrhein-Westfalen hoch. Schließlich ist es das bevölkerungsreichste Bundesland und es gibt sehr viele Kandidatinnen und Kandidaten die bei den verschiedenen Wahlen, die am 13. September stattfinden, antreten. Das verspricht einen Fundus an kreativen Höchstleistungen. Die Plakatierung hat aber noch nicht überall begonnen, die Sommerferien sind noch nicht zu Ende. Dafür ist die Ausbeute schon recht gut.
Gibt es eine Partei oder einen Kandidaten, der Ihnen bisher besonders aufgefallen ist?
Ja, ein paar Highlights waren schon dabei, zum Beispiel ein CDU-Kandidat in Düsseldorf, der Keller heißt und auf dessen Plakat nur „Vertrauen“ und direkt darunter sein Nachname steht – was man automatisch so lesen muss, dass das Vertrauen im Keller ist. Solche Fauxpas mit Kandidierendennamen gibt es immer wieder.
Sie beraten Parlamente, Parteien und Politiker*innen vor allem in digitaler Kommunikation. Raten Sie manchmal auch direkt von Wahlplakaten ab?
Wahlkämpfer*innen berate ich seit einigen Jahren nicht mehr. Als ich das noch getan habe, ist es schon öfter vorgekommen, dass ich ihnen davon abgeraten habe, bestimmte Motive zu verwenden. Ich würde aber nie dazu raten, komplett auf Wahlplakate zu verzichten. Dafür sind sie viel zu verankert in der politischen Kultur in Deutschland und ich bin fest davon überzeugt, dass es sie noch in hundert Jahren geben wird. Nicht umsonst sind alle Versuche, auf Plakate zu verzichten, grandios gescheitert. Selbst wenn eine Marke wie „Persil“ aufhören würde zu werben, würde sie aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden. Dass kann sich eine Firma nicht leisten – und Politiker*innen und Parteien auch nicht.
Was macht ein gutes Wahlplakat aus?
Das ist schwer pauschal zu beantworten. Dabei spielen die Zielgruppen eine große Rolle, aber auch regionale und kulturelle Eigenheiten eines Wahlkreises. Wenn es darum geht, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu bewerben, gehört aber auf jeden Fall das jeweilige Gesicht aufs Plakat, um damit eine gewisse emotionale Verbindung herzustellen. Daneben sollte das Plakat zumindest einen konkreten Inhalt kommunizieren. Und es sollte so gestaltet sein, dass es auch digital funktioniert. Manche Motive werden an der Laterne kaum wahrgenommen, gehen aber viral durchs Internet. Kandidaten sollten deshalb gerade bei einer Kommunalwahl den Mut haben, Dinge auch mal anders zu machen.
Manche Kandidat*innen drucken QR-Codes oder gar ihre Handy-Nummer aufs Plakat. Funktioniert dieser Transfer vom Wahlplakat ins Internet?
Es kommt aufs Format und auch auf die Idee an, die dahintersteckt. Ein bloßer Link auf die Internetseite ist selten interessant. Die CDU in Sachsen aber zum Beispiel hatte im Landtagswahlkampf Plakate, die mit den Menschen gesprochen haben, wenn man den dort abgedruckten Code mit dem Smartphone gescannt hat. So etwas spricht die Leute buchstäblich an und schafft Aufmerksamkeit. Was Handy-Nummern angeht, war Johannes Kahrs immer ganz weit vorne. Er hat schon im Bundestagswahlkampf 2013 seine Nummer aufs Plakat drucken lassen und dazu aufgerufen, ihm WhatsApp-Nachrichten zu schicken. Nach seiner Aussage hat er damals mehr als 500 Nachrichten erhalten und alle persönlich beantwortet. Das schafft Nähe und eine Verbindung. Der Wuppertaler SPD-Abgeordnete Helge Lindh hat es ihm 2017 nachgemacht. Er ruft die Menschen auch nicht nur im Wahlkampf auf, ihm Nachrichten zu schicken und antwortet selbst darauf. Das habe ich getestet.
Es gibt immer wieder Stimmen, die Wahlplakate verbieten oder nur auf wenige Orte begrenzen wollen. Wie sehen Sie das?
Das Parteienspektrum wird immer größer, was auch dazu führt, dass vor Wahlen immer mehr Plakate an den Straßen hängen. Das kann schon nerven, wenn dann wirklich jede Laterne mit Plakaten vollgehängt ist. Eine gewisse Deckelung kann dann schon sinnvoll sein. Auch aus Gründen der Fairness den Parteien gegenüber, die nicht die Ressourcen für so viele Plakate haben, könnte das der richtige Schritt sein. Plakate insgesamt zu verbieten, halte ich aber für falsch. Spannend finde ich ja immer Guerillaaktionen, wenn etwa schon alle Plakatplätze belegt sind und Parteien dann noch kleine Plakate dazu hängen, die auf die Inhalte der anderen reagieren oder sich andere, kreative Plätze suchen.
In Zeiten von Corona sind persönliche Kontakte zwischen Kandidierenden und Wähler*innen besonders schwierig. Gewinnen Wahlplakate da besonders an Bedeutung?
Ich glaube nicht, dass er Werbeeffekt von Plakaten durch die besondere Situation gesteigert wird. Vorstellen kann ich mir aber schon, dass die Parteien und die Kandidierenden mehr Zeit auf die Plakate verwenden, einfach weil viele andere Wahlkampfformate wegen Corona nicht stattfinden können. Sie könnten nach der ersten Plakatierung häufiger nachhängen, beschädigte Plakate austauschen oder sogar eine bisher nicht geplante zweite und dritte Plakatierungswelle starten. Wie groß die Wirkung am Ende an der Wahlurne ist, lässt sich aber nur schwer einschätzen.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.