Inland

Kohnen: „Die anderen Länder dürfen Bayern nicht allein lassen.“

Die meisten Flüchtlinge betreten in Bayern deutschen Boden. Die bayerische SPD berät deshalb am heutigen Freitag bei einem Kommunalgipfel, wie ihre Integration gelingen kann. Im Interview mit vorwärts.de fordert Generalsekretärin Natascha Kohnen mehr Solidarität der anderen Bundesländer.
von Kai Doering · 23. Oktober 2015
Flüchtlinge
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Bayern ist für viele Flüchtlinge das Tor nach Deutschland. Allein im September kamen 170 000 Menschen an. Wie ist die Situation im Moment?

Wir haben seit Monaten einen großen Zulauf von Flüchtlingen in Bayern. Der Öffentlichkeit ist das vor allem im September bewusst geworden als an einem Wochenende 40 000 neue Flüchtlinge in München ankamen. Grundsätzlich kommen Städte und Gemeinden damit gut zurecht. Die Umfrage von „Spiegel Online“ hat auch gezeigt, dass insbesondere dort, wo sozialdemokratische Oberbürgermeister regieren, die Situation entspannt ist. Wir müssen aber dringend über die bundesweite Solidarität reden. Die anderen Bundesländer dürfen Bayern nicht allein lassen.

Auch in Bayern nehmen Schätzungen zufolge nur zwei Drittel der Gemeinden bisher Flüchtlinge auf. Woran liegt das?

Wer von Bund und Land nicht direkt aufgefordert wird, Flüchtlinge aufzunehmen, macht das in der Regel auch nicht. Mein Appell ist deshalb, Solidarität zwischen den Kommunen in Bayern herzustellen und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge zu erreichen, damit nicht manche über die Maßen belastet sind und andere sich wegducken. Wir müssen alle Integrationskräfte mobilisieren.

Für Freitag hat die BayernSPD unter dem Titel „Wir können Integration!“ zu einem Kommunalgipfel nach München eingeladen. Was ist das Ziel?

Für uns ist wichtig, dass Bundes-, Landes- und kommunale Ebene miteinander im Kontakt sind und sich austauschen. Es wird dabei um die – wie Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly immer sagt – Hardware der Integration gehen: um Spracherwerb, um Kitaplätze, schulische Bildung, den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Erstunterbringung.

Woran hapert es zurzeit am meisten?

Zentrales Thema ist der Wohnungsbau. Die Frage wird sein, wie wir ihn so fördern, dass die Menschen, die in Deutschland wohnen und hinzu kommende Flüchtlinge nicht in Konkurrenz zueinander treten.

Der Einsatz ehrenamtlicher Helfer war in den vergangenen Wochen beeindruckend. Ist da die Kraft ungebrochen oder sehen Sie langsam ein Erschlaffen?

Die Ehrenamtlichen leisten wirklich Großartiges – nicht nur in Bayern, sondern im ganzen Land. Das ist beeindruckend! So eine Hilfsbereitschaft hat unser Land noch nicht gesehen. Gefährlich finde ich deshalb das Vorgehen der CSU. Sie setzt alles daran, eine Atmosphäre der Abschreckung zu schaffen. Parolen wie „Wer betrügt, der fliegt“ oder der Begriff „Notwehrmaßnahmen“ sind da Beispiele. Das verunsichert über kurz oder lang auch diejenigen, die helfen und macht die AfD salonfähig. Dagegen gehen wir als SPD massiv an. Unsere Haltung ist geprägt von unserer Geschichte und unserem humanistischem Menschenbild.

Horst Seehofer hat die Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktionen eingeladen, gemeinsam nach Lösungen in der Flüchtlingskrise zu suchen. Sehen Sie überhaupt Gemeinsamkeiten?

Im Moment versuchen sie sich in der CSU mit unrealistischen Vorschlägen zu überbieten. Horst Seehofer merkt, dass er mit seinen populistischen Forderungen nicht weiterkommt. Er weiß selbst nicht, wie er die Flüchtlingsproblematik lösen soll. Deshalb hoffe ich, dass er begriffen hat: Realistische Lösungen lassen sich nur parteiübergreifend erarbeiten, dann tragen sie auch alle mit.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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