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Kohleausstieg: Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt

Auf Kohlekommission folgt – endlich – die Einigung zum Kohleausstieg: Bund und Länder haben sich am Donnerstag geeinigt, wie der Ausstieg aussehen soll. Auch SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke äußerte sich optimistisch zu der Einigung.
von Benedikt Dittrich · 16. Januar 2020
Das Kohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburgsoll schon 2028 vom Netz gehen.
Das Kohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburgsoll schon 2028 vom Netz gehen.

Die Empfehlungen der Kohlekommission sind schon fast ein Jahr alt, nun hat die Politik die damalige Einigung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung in einen politischen Fahrplan für die kommenden 18 Jahre übersetzt. Die Einigung, auf die sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer einigten, entspricht in vielen Punkten den Empfehlungen der Kommission. Es gibt allerdings auch Abweichungen.

Zunächst ist aber klar: 2038 soll spätestens Schluss sein mit der Energieerzeugung aus Kohle. „Der Kohleausstieg beginnt sofort und er ist verbindlich“, betonte SPD-Umweltministerin Svenja Schulze am Donnerstag. Während die ersten Anlagen schon Ende 2020 stillgelegt werden sollen, werden die Kühltürme in der Lausitz erst 2038 aufhören zu qualmen. Die Braunkohle-Kraftwerke in Boxberg sowie die Schwarze Pumpe bei Spremberg sollen die letzten sein, die noch bis in den Dezember 2038 hinein Strom erzeugen.

Allerdings, das machte Schulze klar, kann vielleicht sogar vor dem 31. Dezember 2038 Schluss sein. „Wir haben für 2026 eine Überprüfung, wie es nach 2030 weitergeht“, betonte sie. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien soweit voranbringen können, dass es uns früher gelingt, schon 2035, aus der Kohle auszusteigen.“ Eine entsprechende Überprüfung soll in den geplanten Gesetzesentwurf eingearbeitet werden, der noch bis Ende Januar in den Bundestag eingebracht werden soll. Laut CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist die erste Lesung für den 29. Januar anvisiert.

EEG-Ausbau ist Schlüssel zum Ausstieg

Abhängig davon, ob der Ausstieg vorgezogen werden kann, ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das gehöre zum Ausstieg dazu, betonte zunächst SPD-Finanzminister Olaf Scholz: „Wenn wir so viel Gigawatt Leistung Schritt für Schritt abbauen, müssen wir im Bereich der Erneuerbaren Energien entsprechende Kapazitäten aufbauen.“ Eine Aussage, die Schulze noch konkretisierte: „Wir brauchen jetzt einen massiven Ausbau der Energien aus Wind und Sonne, damit dieser Ausstieg auch verbindlich gelingt.“

Während sich Schulze darüber freute, dass die älteren und damit schmutzigeren Kohlekraftwerke schon vorzeitig vom Netz gehen können, betonte die Sozialdemokratin auch die notwendige Unterstützung für die Betroffenen: „Mir ist wichtig, dass wir keine Region im Regen stehen lassen." Um den Ausstieg sozialverträglich zu organisieren, sollen Milliarden in die Lausitz, das Rheinland und die anderen Kohlereviere fließen. Rund 40 Milliarden Euro, sollen für den Strukturwandel bereitgestellt werden. „Damit die bisher in diesen Wirtschaftszweigen Tätigen Perspektiven haben für sich und die Regionen“, so Scholz. Teilweise werden die Unternehmen für die vorzeitige Stilllegung entschädigt – in Westdeutschland mit 2,6 Milliarden Euro, in Ostdeutschland mit 1,75 Milliarden, verteilt auf etwa 15 Jahre ab dem Datum der vereinbarten Stilllegung, wie der Finanzminister erläuterte.

Für Beschäftigte im Kohletagebau, die nach der Stilllegung entlassen werden, soll außerdem ein Anpassungsgeld direkt an die Betroffenen gezahlt werden, kündigte Scholz an. Es soll die Zeit bis zur Rente überbrücken und für ein paar Jahre die Renteneinbußen kompensieren. Im Steinkohletagebau gibt es solche Zahlungen bereits.

Woidke: „Froh, dass Klarheit herrscht“

Ein Großteil der Strukturgelder wird in die Lausitz fließen, mit denen dort der Umbau der Wirtschaft bewältigt werden soll – ins Bundesland Brandenburg fließen in den kommenden Jahren deswegen laut SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke rund 573 Millionen Euro. „Ich bin froh, dass jetzt Klarheit herrscht und wir Planungssicherheit bekommen", so der Sozialdemokrat, der auch seinen Wahlkreis in der Lausitz hat. „Es geht daurm, dass in den Regionen, in der Lausitz, ein echter Strukturwandel gelingt.“ Mit dem Geld soll unteranderem in Cottbus eine Universitätsmedizin aufgebaut werden und Straßen- und Schienenprojekte verwirklicht werden.

Außerdem hat sich Woidke nach eigenen Angaben dafür stark gemacht, das am Standort Jänschwalde, wo schon vor 2030 die Lichter ausgehen sollen, ein neues Gaskraftwerk gebaut werden soll. Damit soll ein Teil der Kapazitäten der Kohlekraftwerke aufgefangen werden, außerdem soll es zur Stabilisierung der Industrieregion beitragen. „Mit der Investition hat der Energiestandort Jänschwalde eine echte Perspektive“, so Woidke weiter. Er habe Verständnis dafür, dass der vereinbarte Ausstiegspfad insbesondere in der Lausitz auch kritisch gesehen werde, ergänzte der Ministerpräsident. „Aber der jetzt gefundene Weg bringt alle Interessen gut zusammen. Ich stehe dafür ein.“

Die Umweltministerin machte bei der Vorstellung der Einigung keinen Hehl daraus, dass es aus ihrere SIcht auch schneller hätte gehen können: „Das waren harte Verhandlungen, sie haben sehr lange gedauert. Aus meiner Sicht zu lange.“ Das Ergebnis aber könne sich sehen lassen, so die Sozialdemokratin weiter. In den vergangenen Wochen und Monaten hatten neben Schulze auch der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Matthias Miersch, immer wieder angemahnt, dass die Empfehlungen der Kohlekommission endlich in Gesetze umgesetzt werden müssten. Federführend war bei dem Gesetzesentwurf das CDU-geführte Wirtschaftsministerium.

„Hambi“ bleibt, Datteln 4 aber auch

Kritisiert wird die Einigung allerdings auch, denn der Plan weicht auch von den Empfehlungen der Kohlekommission ab. Größter Kritikpunkt ist dabei die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4. Wäre der Betrieb versagt worden, wären aufgrund des Rechtsanspruchs hohe Entschädigungszahlungen an den Betreiber fällig geworden. Damit verteidigte Altmaier auch die Inbetriebnahme: Die Kosten für die Stilllegung stünden nicht im Verhältnis zur Einsparung der CO2-Emissionen stünden.

Dafür konnte Umweltministerin Schulze eine Einigung mit Symbolwirkung ergänzen: Der Hambacher Forst („Hambi“) in Nordrhein-Westfalen der im vergangenen Jahr noch zugunsten des Kohleabbaus verschwinden sollte, bleibt erhalten. „Das war sehr vielen Menschen wichtig“, sagte Schulze mit Blick auf die teils massiven Demonstrationen in der Vergangenheit. „Es ist gut, dass der Hambacher Forst bleibt.“

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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