Inland

Klimawandel: Warum Deutschland sofort umsteuern muss

Noch vor ihrem Amtsanstritt droht der neuen Bundesregierung in der Klimapolitik ein Debakel. Doch noch können die Klimaziele eingehalten werden – allerdings nur, wenn sofort umgesteuert wird.
von Kai Niebert · 19. Oktober 2017
Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben. Protestaktion am Kühlturm des Braunkohlekraftwerks Jänchswalde in Brandenburg
Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben. Protestaktion am Kühlturm des Braunkohlekraftwerks Jänchswalde in Brandenburg

Wir leben in spannenden Zeiten: Während bei Sandra Maischberger in der Talkrunde der Klimawandel zur Glaubenssache erklärt wird, soll ihn künftig eine konservativ-liberal-ökologische Parteienkonstellation richten. Gesucht wird ein Zukunftsentwurf, der Deutschland als Hochtechnologie- und Exportland modernisiert und ökologisch zukunftsfest macht. Die Chancen stehen eigentlich nicht schlecht: Noch nie waren die ökonomische Absicherung und die ökologische Modernisierung des Standorts Deutschland enger miteinander verzahnt als heute. Wenn sogar die Bahn aus dem Kohlestrom aussteigen will – weil er schlicht zu teuer ist – steht Deutschland nicht nur des CO2s wegen vor einem energiepolitischen Umbruch. Und der ist dringend notwendig.

Deutschland muss auf Innovationen setzen

Denn: Wenn Deutschland bei der globalen Energiewende den Anschluss verpasst, werden wir als Exportland zurückfallen, weil wir bei zentralen Schlüsseltechnologien nicht mehr vorne dabei sind. Und wenn das Autoland Deutschland bei der Mobilitätswende weiter bremst, wird es in Zukunft mehr Pkws importieren als exportieren. Will Deutschland seine Stellung als führende Wirtschaftsnation behalten, muss es im globalen Wettbewerb auf Innovationen setzen – und gleichzeitig den Menschen die Zukunftsängste nehmen, die sie in die Arme von Populisten treiben.

Noch vor ihrem Amtsantritt droht der neuen Bundesregierung ein klimapolitisches Debakel: Das Ziel, die Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, ist ohne ein sofortiges Umsteuern nicht zu halten. Im Gegenteil: Im Wahljahr 2017 werden die nationalen Treibhausgasemissionen voraussichtlich steigen, statt zu sinken. Die neue Bundesregierung hat das Thema so und so auf der Tagesordnung, ob sie will oder nicht: Extremwetterlagen töten jeden Tag Menschen, richten schwere Schäden an, legen in Deutschland die Infrastruktur tagelang lahm und führen zu umweltbedingter Migration. Ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der menschengemachten Klimastörungen ist unausweichlich:

  • Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben. Das Klimaschutzziel der Bundesregierung, 40 Prozent CO2 bis 2020 einzusparen, ist nur durch die Stilllegung der Hälfte der Kohlekraftwerke zu erreichen.
  • Der Ausbau Erneuerbarer Energien muss nach Jahren des Bremsens beschleunigt werden. Für den Klimaschutz müssen wir den Zubau der Windkraft mehr als verdoppeln und den der Photovoltaik verzehnfachen.
  • Damit die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien naturverträglich, ressourcenschonend und kostengünstig gelingen kann, müssen wir Energie einsparen und effizienter nutzen. Ein Umbau des Stromsystems kann die Kosten um mehr als 20 Milliarden Euro jährlich senken.
  • Der Gütertransport und unsere Mobilitätsgewohnheiten sind seit langem ein Kernproblem des deutschen Klimaschutzes. Klar ist: Die Mobilitätswende ist ein Generationenprojekt, für das die neue Bundesregierung umgehend die Weichen stellen muss. Der Verbrennungsmotor ist kein Modell der Zukunft.
  • Ohne eine Wärmewende insbesondere in Gebäuden und der Industrie sind die Klimaschutzziele nicht einzuhalten. Dazu bedarf es Effizienzverbesserungen, einen Ausbau Erneuerbarer Wärme und eine Elektrifizierung mit Wärmepumpen.
  • Die Landwirtschaft trägt wesentlich zu den Klimagasemissionen bei durch hohe Methan-Emissionen aus der Tierhaltung, Überdüngung sowie Lachgas aus landwirtschaftlich genutzten Böden infolge der Stickstoffdüngung. Eine Umkehr im Verbraucherverhalten – weg vom hohen Fleischkonsum – muss jetzt erfolgen.

Im Wahlkampf hat der Klimawandel keine Rolle gespielt. Warum? Der Politik scheinen die Aufgaben zu groß und den Medien fehlt der Neuigkeitswert – oder sie erklären ihn zur Glaubensfrage. Doch die Physik lässt sich nicht wegpredigen. Lange Zeit war Klimaspolitik ideologisch geprägt. Doch angesichts ununterbietbar günstigem Wind- und Sonnenstrom, hat sich auch hier die Glaubensfrage erübrigt.

Eine Frage der ökonomischen Vernunft

Streichen wir noch die jährlich rund 57 Milliarden Euro umweltschädlichen Subventionen – und investieren sie in die Zukunft statt in die Vergangenheit – und preisen die Schäden des Klimawandels in die Entstehung des CO2 ein, wird Klimaschutz hoch profitabel. Der Klimawandel ist keine Frage des Glaubens – aber ihn zu stoppen, ist eine Frage der ökonomischen Vernunft.

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