Klimaschutzgesetz: Jetzt mit Rückenwind vom Bundesverfassungsgericht
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Die Aufregung war groß, als das Bundesverfassungsgericht im April das Klimaschutzgesetz in Teilen als verfassungswidrig einstufte. Ein Urteil, das in seiner Tragweite über Jahrzehnte die Politik prägen dürfte.
Dabei steckt die Brisanz – wie so oft – in der Erklärung. Die Richter stellten die Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt: Wie viel Klimaschutz muss die Politik jetzt verbindlich festlegen, wie viele Emissionen müssen zeitnah verhindert werden, was muss jetzt getan werden, damit künftige Generationen nicht über Gebühr belastet werden?
Für das Verfassungsgericht ist klar: Das Klimaschutzgesetz in der aktuellen Version verschiebt zu viel in die Zukunft. Kritisiert wurde vor allem, dass es keinen Plan für die Zeit nach 2030 gibt, die Gefahren des Klimawandels würden damit zu sehr zulasten der nachfolgenden Generationen gehen. Damit kritisieren die Richter, dass genau der Teil fehlt, den Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gerne schon 2019 verbindlich ins Gesetz geschrieben hätte.
Sie wollte schon damals feste Reduktionsziele bis 2050 festlegen. Das belegt ein Entwurf aus ihrem Ministerium aus dem Frühjahr 2019, ein halbes Jahr vor der Einigung in der großen Koalition. Schulze war damals vorgeprescht, weil die Unions-Minister*innen monatelang jegliche Abstimmung blockiert hatten. Dafür mussten Svenja Schulze und die SPD viel Kritik von der Union einstecken. Der Blick auf damalige, öffentliche Äußerungen und Aktionen lässt erahnen, wie groß der Widerstand gegen effektiven Klimaschutz bei den konservativen Parteien hinter den Kulissen noch war. Trotz der Demonstrationen von „Fridays for Future“ wurde der ausgehandelte Kohleausstieg bis 2038 von CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus damals wiederholt infrage gestellt, in Nordrhein-Westfalen brachte CDU-Ministerpräsident Armin Laschet noch im Mai 2020 ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. Datteln Vier.
Verfassungsschutz erzwingt Umdenken
Nach dem Urteil verweist nun beispielsweise CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf eigene Vorschläge, die stammen aber erst aus dem September 2020. Mehr als ein Jahr, nachdem Schulzes Entwurf von der Union aufgeweicht worden war. Es braucht offenbar das Stopp-Schild aus Karlsruhe, um die Union an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern.
In einem entscheidenden Punkt konnten sich die Sozialdemokraten um Schulze und Vizekanzler Olaf Scholz aber damals durchsetzen: Die einzelnen Ressorts sind nun verantwortlich, in ihrem Bereich die CO2-Ziele einzuhalten. Klappt das nicht, müssen die zuständigen Ministerien nachbessern.
Damit löste die SPD ein Grundproblem der Klimaschutzpolitik: Das Umweltministerium ist zwar federführend bei den Gesetzen, umgesetzt werden müssen sie aber dort, wo die CO2-Emissionen anfallen. Also vor allem in Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Bauen – Ministerien, die von CDU und CSU geführt werden. Seit 2019 kann sich keiner der Minister*innen mehr aus der Verantwortung stehlen. Diesen Klimaschutz-Pfad beanstandeten die Richter*innen übrigens nicht.
Sie haben stattdessen mehr Engagement gefordert. Dem kommt die SPD nach. Svenja Schulze hat bereits einen Entwurf vorgelegt, der die Ziele deutlich anhebt: Klimaneutralität schon 2045, 65 Prozent weniger CO2 bis 2030 sowie minus 88 Prozent als Ziel für 2040. Wie vor zwei Jahren kann die Union nun erneut zeigen, wie ernst ihr engagierter Klimaschutz wirklich ist.