Inland

Kleine Revolution für junge Familien: Das Elterngeld

von Die Redaktion · 15. März 2006
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Die Umgestaltung des Erziehungsgeldes in ein Elterngeld nach skandinavischem Vorbild war eines unserer zentralen Themen im Bundestagswahlkampf. In den Verhandlungen mit der Union konnten wir durchsetzen, dass es ab 2007 eingeführt wird. Das ist eine kleine familienpolitische Revolution.

Das Elterngeld beruht auf einem grundlegend anderen Ansatz als Leistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag, die sich am Bedarf des Kindes orientieren. Die finanziellen Belastungen für junge Familien hängen aber weniger mit den Aufwendungen für ihre Kinder zusammen als vor allem mit dem - in Deutschland meist sehr langfristigen Ausfall - eines Einkommens. Hier setzt das Elterngeld an: Wie beim Arbeitslosengeld werden ein Jahr lang 67 Prozent vom letzten Nettoeinkommen gezahlt.

Zwei Elterngeld-Monate sind fest für den Vater, zwei für die Mutter reserviert. Wer nach der Geburt eines Kindes seine Berufstätigkeit unterbricht, hat also erstmals eine eigene wirtschaftliche Absicherung, was gerade für Alleinerziehende existenziell wichtig ist. Die Familie kann ihren Lebensstandard halten. Gleichzeitig unterstützen wir die schnellere Rückkehr von Müttern in den Beruf. Väter, auf deren meist höheres Einkommen die Familien oft nicht verzichten konnten, haben mit der neuen Lohnersatzleistung zum ersten Mal die reale Chance auf eine "Baby-Pause". Die bis zu dreijährige Elternzeit mit Arbeitsplatzgarantie und Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bleibt erhalten.

Dennoch gab und gibt es seit Ende letzten Jahres eine Auseinandersetzung um drei Fragen.

Die erste Frage betrifft die soziale Ausgewogenheit des Modells. Das Elterngeld ist sozial gerecht, denn es bewirkt für alle Einkommensgruppen eine deutliche Verbesserung. Gerade Menschen mit geringem Einkommen profitieren davon, da es die für sie existenzgefährdenden finanziellen Einbußen abfedert. Sockelbetrag und Obergrenze stellen den notwendigen Ausgleich für Eltern ohne bzw. mit sehr hohen Einkommen her.

Die zweite Frage betrifft die beiden Vatermonate. Konservative, allen voran Jürgen Rüttgers, geißeln sie als Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Eltern. Kein Vater muss aber Elternzeit in Anspruch nehmen, das Elterngeld wird dann 10 Monate gezahlt, sonst 12. Das erleichtert es Vätern, ihren Anspruch im Job auch durchzusetzen. Die Akzeptanz von Vätern in Elternzeit wird steigen. Das ist für Familien kein Verlust, sondern ein Zugewinn an Entscheidungsfreiheit!

Die dritte Frage betraf die Bemessungsgrundlage für den Lohnersatz. Diese war zwischen SPD und Union umstritten, ist jedoch nun im Rahmen der Regierungsklausur in Genshagen in unserem Sinne entschieden worden. Das Elterngeld wird sich, wie in unserem Konzept vorgesehen, am vorherigen Einkommen des betreuenden Elternteils orientieren.

Die Union wollte zunächst das Gesamteinkommen beider Elternteile als Grundlage nehmen. Das Elterngeld wäre damit gleich hoch gewesen, egal ob Vater oder Mutter beruflich pausieren. Das hätten dann weiterhin überwiegend die - in der Regel geringer verdienenden - Frauen getan. Nichterwerbstätige Ehefrauen sehr gut verdienender Männer hätten zudem eher das maximale Elterngeld erhalten als erwerbstätige Paare mit Durchschnittsverdienst. Die alten Rollenmuster, die wir mit dem Elterngeld überwinden wollen, wären damit eher zementiert worden.

Elterngeld und Betreuungsausbau gehören zusammen. Nur wenn Eltern die Sicherheit haben, dass ihnen ab dem 2. Lebensjahr des Kindes gute und verlässliche Betreuung zur Verfügung steht, können sie in ihren Beruf zurückkehren. Wir treiben daher in Bund, Ländern und Gemeinden den Ausbau der Angebote für unter Dreijährige voran. Beides erfordert erhebliche finanzielle Anstrengungen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass sich junge Menschen ihre Kinderwünsche erfüllen können. Und wir wollen, dass alle Kinder in Deutschland gute Lebenschancen haben.

*Bärbel Dieckmann ist stellvertretende SPD-Vorsitzende und Oberbürgermeisterin von Bonn

vorwärts 2/2006

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