Die einer Olympionikin nahe gelegte Heimfahrt aus London nach Rostock hat den Blick vieler Medien auf ein Thema gelenkt, das sonst in der Öffentlichkeit nur eine Rolle spielt, wenn es um Rassismus im Fußballstadion oder um Neonazis auf der Tribüne geht.
Aber Rechtsextremismus im Sport, gerade im Breitensport, ist Alltag. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) weiß, dass dies „ein Thema ist, das große Aufmerksamkeit verlangt“. Die Auskunft des DOSB-Generaldirektors Michael Vesper „Wir sind hellwach auf diesem Gebiet“ ist glaubhaft.
Nazi-Parolen grölende Fans nur die Spitze des Eisbergs
Abgesehen von dem Aufsehen erregenden Fall der Rudersportlerin Nadja Drygalla, die sich privat mit einem Neonazi eingelassen und damit ans brauen Milieu angedockt hat, ist dem DOSB also die aktuelle Gefahr bekannt und bewusst. Das Problem sind nicht nur Nazi-Parolen grölende Fans und Beleidigungen arabischer oder afrikanischer Spieler, sondern der alltägliche Rassismus und Antisemitismus, übrigens auch Sexismus und Homophobie, in Vereinen, bei Wettkämpfen und in Umkleidekabinen.
Die Deutsche Sportjugend (dsj) ist wachsam und hat in einer Broschüre „Vereine und Verbände stark machen“ Empfehlungen und Konzepte zusammengestellt. Der Dachverband DOSB hat 2011 mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine Kampagne „Vereint gegen Rechtsextremismus“ gestartet. Viele Bundesverbände, Landesverbände und Vereine kennen raffinierte und offene Versuche Rechtsextremer, den Sport zu beeinflussen, zu durchsetzen und für Propaganda zu missbrauchen.
Sport: Von Rechtsextremen isntrumentalisert
An vielen Orten wird das aufmerksam beobachtet und präventiv bearbeitet. Den Sportorganisationen kann nicht pauschal vorgeworfen werden, sie seien „rechts blind“, nur weil übersehen wurde, dass eine Olympiateilnehmerin eng mit einem regional namhaften Neonazi beisammen ist und darum logischerweise schon den Polizeidienst quittieren musste. In dem DOSB-Magazin FAKTOR SPORT ist ein kenntnisreicher Artikel des Sportjournalisten Ronny Blaschke „Angriffe über außen“ zu lesen, in dem zahlreiche konkrete Beispiele dafür stehen, wie Rechtsextreme den Sport nutzen, um Mitglieder und Wähler zu rekrutieren.
Den Ober-Sportfunktionären Thomas Bach und Michael Vesper ist vorzuhalten, dass sie anlässlich des Falles Drygalla die Dimension der Anfälligkeit des Sports für den Rechtsextremismus nicht thematisiert haben. Durch unverständliche Ahnungslosigkeit und ungeschickte Wortwahl haben sie den Eindruck erweckt, sie nähmen das eigentliche Thema nicht so ganz ernst. Richtig wäre gewesen, wenn sie anstatt verbaler Verrenkungen die Gelegenheit genutzt hätten, öffentlich noch einmal eine klare Trennungslinie zum Rechtsextremismus zu ziehen. Vernünftig wäre auch, im DOSB feste Ansprechpartner und ein Informationsnetz für alle Vorfälle und Verflechtungen aufzubauen. Damit Neonazis keinen Ansatz mehr finden, den Sport für ihre Zwecke einzuspannen.
Dieser Text erschein zuerst im Blick nach Rechts, bnr.de
lebt als freier Publizist in Berlin. Er war Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bei ddp, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie Sprecher des Berliner Senats und Unternehmenssprecher.