Kita-Tarifkonflikt: „Beide Seiten sind verpflichtet, sich zu einigen.“
Die Eltern kleiner Kinder sind in Aufregung nachdem Ver.di-Chef Frank Bsirske mit neuen Kita-Streiks gedroht hat. Wie groß ist die Gefahr?
Neue Streiks können nicht ausgeschlossen werden. Allerdings hoffe ich, dass es in den unterbrochenen Tarifverhandlungen zwischen kommunalen Arbeitgebern und Gewerkschaften vorher noch zu einer Einigung kommt. In der kommenden Woche wollen sich beide Seiten ja wieder zusammensetzen. Kinder, Eltern, Angestellte und Kommunen vertragen weitere Streiks nicht.
Die Schlichtung, die Sie mit verhandelt hatten, ist im August endgültig gescheitert. Haben sich beide Seiten seitdem aufeinander zu bewegt?
Die Schlichtung hatte ein von allen Seiten akzeptiertes Ergebnis. Die Ver.di-Basis hat das abgelehnt. Beide Seiten sind jetzt verpflichtet, weiter zu verhandeln und sich zu einigen.
Nachdem die Schlichtungskommission dem Schlichterspruch zunächst mehrheitlich zugestimmt hatte, wurde er in einer Befragung der Ver.di-Mitglieder abgelehnt. Woran lag die Ablehnung?
Unser Vorschlag ist mit 19 zu einer Stimme in der Schlichtungskommission angenommen worden. Die beteiligten Gewerkschaften haben also mit großer Mehrheit dem Schlichterspruch zugestimmt. Allerdings hatte sich die Gewerkschaftsbasis wohl ein besseres Ergebnis erhofft. Die Streikdelegiertenversammlung von Ver.di hat sich deshalb gegen das Schlichtungsergebnis ausgesprochen. Die anschließende Mitgliederbefragung hat diese Position im August bestätigt.
Können Sie einschätzen, womit die Mitglieder konkret unzufrieden waren?
Ich denke, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Erziehungsberufen insgesamt mehr Gehalt erwartet haben. Allerdings muss man wissen, dass es in den aktuellen Verhandlungen nicht um konkrete Tariferhöhungen, sondern um die Eingruppierung der einzelnen Stellen geht. Die allgemeinen Gehaltsverhandlungen stehen erst im kommenden Jahr an. Da wird es sicher Gehaltserhöhungen geben – auch für die Erzieherinnen und Erzieher.
Im Vergleich zum Bahnstreik, der Deutschland über Monate in Atem gehalten hat, scheint der Kita-Streik viele kalt zu lassen. Woran liegt das?
Ich teile die Ansicht nicht, dass der Kita-Streik die Menschen nicht interessiert. Gerade zu Anfang gab es eine große Sympathiewelle für die Erzieherinnen und Erzieher. Nach drei Wochen schwand die Zustimmung dann etwas, weil Urlaubstage aufgebraucht waren oder die Großeltern nicht mehr einspringen konnten. Auch deshalb sollten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften schnell einigen, um die Grundsympathie in der Bevölkerung nicht zu verspielen und Kinder und Eltern endlich Ruhe haben.
Georg Mildbradt und Sie sind mit dem Scheitern des Schlichterspruchs nicht mehr am Verfahren beteiligt. Können Sie trotzdem noch Einfluss nehmen? Immerhin kennen Sie das Verfahren und alle Beteiligten sehr gut.
Offiziell sind Georg Millbradt und ich raus. Nun müssen sich die Tarifvertragsparteien einigen. Wenn mich jemand um Rat bittet, werde ich ihn ihm sicher geben – aber natürlich nicht öffentlich. Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut und verbietet aus gutem Grund Eingriffe von außen.
Was können Politik und Gesellschaft tun, um den Beruf des Erziehers aufzuwerten, auch abseits einer besseren Bezahlung?
Viele soziale Berufe, seien es Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiter oder Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern, müssen deutlich mehr Anerkennung als bisher bekommen. Der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher sollten aufgewertet und wie der der Lehrerinnen und Lehrer behandelt werden. Dies sollte Teil einer Gesamtbildungsoffensive sein: Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas sollten wie die Lehrkräfte in den Schulen von den Bundesländern bezahlt werden. Damit hätten wir auch eine klare einheitliche Regelung bei der Bezahlung. Bildung fängt nicht erst in der Schule an und endet nicht beim Verlassen der Universität. Frühkindliche Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die die Länder finanzieren müssen.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.