Inland

Keine Todescocktailverschreiber

Sterbehilfe, auch durch Ärzte, ist in der Diskussion. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, lehnt das ab. Nicht Freiräume würden geschaffen, sondern das Leben eingeengt, Druck auf unheilbar Kranke und Demente ausgeübt. Warum mit Schmerztherapien, Palliativmedizinen und Hospizen gegengesteuert werden sollte, erklärt Montgomery in einem Gastbeitrag für vorwärts.de
von Frank Ulrich Montgomery · 2. September 2014
"Statt der Gewissheit des schnellen Todes müssen wir den Menschen die Sicherheit einer optimalen Behandlung geben", sagt der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery.
"Statt der Gewissheit des schnellen Todes müssen wir den Menschen die Sicherheit einer optimalen Behandlung geben", sagt der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery.

Die Debatte um gesetzliche Regelungen zum assistierten Suizid nimmt Fahrt auf. Das ist gut so. Verschiedene ethische Grundeinstellungen, religiöse Vorstellungen und Lebenserfahrungen prallen in der Debatte aufeinander, bei der es im Kern um drei Fragen geht: Das Verbot organisierter Sterbehilfe, den Kreis derjenigen, die ungestraft Beihilfe zum Suizid leisten können und, wenn man die Frage nach der Zulässigkeit und den Helfenden beantwortet hat, die Frage nach der Abgrenzung zur „Tötung auf Verlangen“.

Verbot von gewerbsmäßiger Sterbehilfe

Große Einigkeit über alle Fraktionen und Gruppierungen hinweg besteht darüber, der gewerbsmäßig organisierten Sterbehilfe oder pseudoaltruistischen Sterbehilfevereinen das Handwerk legen zu wollen. Sinistere „Todesengel“, die den Giftcocktail reichen, wollen wir ebenso wenig, wie Werbung für den Suizid oder gar Verleitung zum Vollzug des Selbstmords. So weit, so gut

Assistierter Suizid

Schwieriger ist es schon, den Personenkreis autorisierter Suizidhelfer zu bestimmen. Unstrittig ist, dass nahe Angehörige und gute Freunde nicht bestraft werden dürfen, solange die Tatherrschaft eindeutig beim Sterbewilligen verbleibt. Ärzten ist es in der Bundesrepublik verboten, an diesen Tötungshandlungen mitzuwirken. Zwar können sie nicht strafrechtlich belangt werden, aber das Berufsrecht verbietet ihnen die Beteiligung. Warum dieser Unterschied?  Ärzte sind von ihrem Berufsethos her dem Leben verpflichtet, nicht dem Tode. Sie müssen Alternativen zur Tötung aufzeigen. Schmerztherapie, Palliativmedizin und Hospize sind die richtigen, ja, die besseren Antworten auf den Todeswunsch. Der Arzt muss mit seiner Kunst Hilfe beim Sterben, aber nicht Hilfe zum Sterben leisten.

Ärztliche Kunst zum Sterben einsetzen?

In ihrem so genannten „Münchner Modell“ schlagen einige Mediziner und Juristen vor, dass Ärzte, wenn sie sich von der Eindringlichkeit des Todeswunsches und seiner Nachvollziehbarkeit auf der Basis einer schweren Erkrankung überzeugt haben, ihre ärztliche Kunst nicht zum Leben sondern zum Sterben des Patienten einsetzen sollen. Ärzte sollen in diesen Fällen ein tödliches Mittel verschreiben dürfen, ohne sich am Suizid selbst zu beteiligen. Dabei sein, das Sterben beobachten, begleiten, Schmerzen lindern, das alles dürfen sie nicht.

In meinen Augen ein untaugliches Modell: Es reduziert Ärzte zu Todescocktailverschreibern, die gerade in der schwersten Stunde des Lebens – dem Tode – ihrem Patienten nicht  helfend zur Seite stehen können.

Das aber wollen die Menschen nicht. Diejenigen, die sich aus nachvollziehbaren Gründen, aber als Gesunde eben doch weit entfernt von der konkreten Entscheidung zwischen Leben und Tod, für die ärztliche Sterbehilfe aussprechen, glauben, dass Ärzte den Suizid dann für sie  übernähmen. Das aber wäre „Tötung auf Verlangen“, und die bleibt verboten. Und das ist auch gut so.

„Münchner Modell führt in die Irre“

So ist es vom ärztlich beglaubigten über den ärztlich assistierten zum vom Arzt durchgeführten Suizid nur ein kurzer Weg, auf einer schiefen ethischen Ebene. Und deswegen führt das „Münchner Modell“ in die Irre. Es will pseudoaltruistisch scheinbare Freiräume eröffnen, die doch in Wirklichkeit das Leben einengen. Auf diejenigen, die unheilbar krank, dement oder vereinsamt sind, wüchse der gesellschaftliche Druck.

Dem müssen wir gegensteuern. Dies kann nur mit den Angeboten der Schmerztherapie, der Palliativmedizin und mit Hospizen geschehen. Statt der Gewissheit des schnellen Todes müssen wir den Menschen die Sicherheit einer optimalen Behandlung, eines würdigen Lebens und natürlichen Sterbens geben. Dafür lohnt es zu kämpfen – nicht für den schnellen Tod!

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery ist Präsident der Bundesärztekammer und der Ärztekammer Hamburg.

 

 

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