Inland

Keine Haftung für Volljährige

von Christian Rath · 9. Januar 2014

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Eltern ihre volljährigen Familienmitglieder nicht über die Rechtswidrigkeit von Musiktauschbörsen aufklären müssen.

Wo Familie ist, da ist Vertrauen. Nach diesem Motto entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Inhaber eines Internetanschlusses in der Regel nicht für den illegalen Musiktausch von volljährigen Familienmitgliedern haftet. Ein Mann aus dem Rheinland muss deshalb keine Abmahnkosten bezahlen, entschied jetzt der BGH.

Der Mann, zufällig ein Polizist, lebte mit seiner Frau und deren Sohn zusammen. Zu seiner Überraschung bekam er 2006 Ärger mit mehreren Musikfirmen. Diese hatten festgestellt, dass vom Internetanschluss des Mannes fast 4000 Musikdateien zum illegalen Download angeboten wurden. Wie sich herausstellte, hatte nicht der Polizist, sondern der damals 20-jährige Stiefsohn die Musikstücke in die Tauschbörse Bear-Share eingestellt.

Besonderes Vertrauensverhältnis in der Familie

Gestritten wurde nun um die Anwaltskosten der Plattenfirmen. Der Anwalt verlangte 3500 Euro für seine Abmahnung. Der Polizist habe zwar die Plattenfirmen nicht selbst geschädigt. Aber er habe an der Schädigung durch den 20-Jährigen mitgewirkt, indem er ihm Zugang zum Internet verschafft habe. Nach den Grundsätzen der "Störerhaftung" komme es nicht auf ein Verschulden des Polizisten an. Er müsse daher zumindest die Kosten bezahlen, die erforderlich waren, um die Störung abzustellen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln verurteilte den Polizist daraufhin zur Zahlung der Abmahnkosten. Der Mann habe als Inhaber eines Internetanschlusses die Pflicht, seine Mitbewohner vor illegalen Nutzungen zu warnen und dies auch zu überprüfen. Dies sei nicht erfolgt. In der Revision protestierte der Anwalt des Polizisten: "Ein Volljähriger weiß doch selbst, dass Tauschbörsen verboten sind."

Dem schloss sich jetzt der BGH an. "Der Anschlussinhaber darf seinen Internet-Anschluss einem volljährigen Familienangehörigen überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher. Er begründete dies mit dem "besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen" und mit der "Eigenverantwortung von Volljährigen".

Nur wenn es "konkrete Anhaltspunkte" gab, dass der Familienangehörige illegale Tauschbörsen genutzt hat oder nutzen will, muss der Anschlussinhaber ihn belehren und kontrollieren, um nicht selbst für die Folgen zu haften.´

Im vorliegenden Fall waren dem Polizisten die Aktivitäten seines Stiefsohns wohl unbekannt. Deshalb musste er vor Gericht auch nicht nachweisen, dass er ihn über die Illegalität von Musik-Tauschörsen belehrt hat. Der Mann war vielmehr ohne weitere Nachweise von der Haftung für das Verhalten seines Sohnes befreit. "Deshalb konnten von ihm auch keine Abmahnkosten verlangt werden", betonte Richter Büscher. (Az.: 1 ZR 169/12)

Aufklärung bei Minderjährigen genügt

Das Urteil ist zumindest auf Ehegatten übertragbar. Ob die Grundsätze auch für besuchende Verwandtschaft und die Mitglieder einer Wohngemeinschaft gelten, wird wohl erst in neuen Prozessen geklärt werden.

Vor rund einem Jahr hatte der BGH entschieden, dass Eltern minderjähriger Kinder nicht deren Computer kontrollieren müssen, um sich vor Haftungsansprüchen zu schützen. In der Regel genüge eine Aufklärung über illegale Angebote im Internet und das Verbot, diese zu nutzen. Eine Kontrolle sei nur erforderlich, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die Kinder sich über das Verbot hinwegsetzen. Auch damals betonte der BGH das Vertrauensverhältnis in der Familie.

Die BGH-Rechtsprechung erschwert die Tätigkeit von Abmahnanwälten immens. Denn diese kennen nur den Internet-Anschluss, von dem aus die Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Wer der konkrete Täter ist, wissen sie nicht. Wenn sie sich nicht mehr an den Anschlussinhaber halten können, dürften sie in der Regel leer ausgehen.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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