Inland

Kein Hartz IV für EU-Bürger, die keine Arbeit suchen

Arbeitslose EU-Bürger, die sich nicht um einen Job bemühen, haben in Deutschland keinen Anspruch auf Hartz IV. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil entschieden. EU-Bürger auf der Suche nach Arbeit dürfen weiter hoffen.
von Christian Rath · 11. November 2014
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Konkret ging es um den Fall der 25jährigen Rumänin Elisabeta Dano, die mit ihrem fünfjährigen Kind in Leipzig lebt. Dano hat nur drei Jahre die Schule besucht und weder in Rumänien noch in Deutschland gearbeitet. Sie wird von ihrer Schwester mit Lebensmitteln versorgt. Außerdem erhält sie monatlich 184 Euro Kindergeld und 133 Euro Unterhaltsvorschuss, weil der Vater unbekannt ist. Danos Antrag auf Hartz IV hat das Job-Center Leipzig abgelehnt. Die Frau klagte dagegen beim Sozialgericht Leipzig und forderte die gleiche Behandlung wie Deutsche Staatsangehörige. Das Leipziger Gericht hat den Fall im Sommer 2013 an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet.

„Genuss von Sozialleistungen“ unterbinden

Das Gericht in Luxemburg entschied nun, dass die deutschen Behörden einem EU-Bürger Hartz IV verweigern dürfen, wenn dieser nur für „den Genuss von Sozialleistungen“ nach Deutschland gezogen ist. Grundsätzlich gelte zwar im Sozialleistungsrecht aufgrund einer EU-Verordnung der Anspruch auf Gleichbehandlung. Allerdings sehe die Freizügigkeits-Richtlinie von 2004 ausdrücklich Ausnahmen vor. Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, könne auch keine „Sozialhilfe“ beanspruchen. EU-Bürger ohne Ambitionen auf Beschäftigung genießen nur dann Freizügigkeit, wenn sie selbst für ihre Existenz sorgen können.

Dass Deutsche andere Rechte als EU-Bürger haben, sei keine unzulässige Diskriminierung, sondern im Sinne der EU-Richtlinie von 2004. Ziel der Richtlinie sei es, eine „unangemessene Inanspruchnahme von Sozialleistungen“ zu verhindern. Entgegen des Vorschlags der EU-Kommission verlangt der EuGH auch keine umfassende Einzelfallprüfung. Der Anspruch auf Hartz IV gilt auch dann nicht, wenn die Notlage nur vorübergehend ist und der EU-Bürger sich bereits gut in Deutschland integriert hat. (Az.: C-333/13)

Arbeitssuchende dürfen hoffen

Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, begrüßte das Urteil als "richtiges Signal". Die Wirkung des Urteils dürfte hingegen begrenzt sein. Es gilt ausdrücklich nicht für arbeitssuchende EU-Bürger. Wer sich in Deutschland arbeitslos meldet und nachweisbar um Stellen bewirbt, kann auf Hartz IV hoffen. Endgültig wird der EuGH darüber im Fall einer schwedischen Staatsbürgerin entscheiden, der das Jobcenter in Berlin-Neukölln Hartz IV verweigert hat. Ihren Fall hat das Bundessozialgericht im Dezember 2013 dem EuGH vorgelegt. Die mündliche Verhandlung dürfte bald stattfinden. Ein genauer Termin ist noch nicht angesetzt.

Der Fall der Schwedin ist politisch brisanter. Denn für arbeitssuchende EU-Bürger hat der Bundestag 2007 im Sozialgesetzbuch ausdrücklich festgeschrieben, dass sie keinen Anspruch auf Hartz IV haben. Viele deutsche Gerichten haben in letzter Zeit diese Regelung in Frage gestellt und Hartz IV gewährt. In jedem Fall können arbeitende und selbstständige EU-Bürger ihr geringes Einkommen mit Hartz IV-Leistungen aufstocken. Hier sieht das deutsche Recht keinen Ausschluss vor, weil der kaum mit EU-Recht vereinbar wäre. Schon ein kleiner Verdienst genügt, um als Arbeitnehmer zu gelten. Und ein Arbeitnehmer, der unverschuldet arbeitslos wird, behält seinen Status nach der Entlassung.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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