Kein Cannabis-Verkauf in Berlin: Warum das Urteil falsch ist
Es ist keine große Überraschung: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Antrag der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg abgelehnt, in welchem der kontrollierte Verkauf von weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gefordert wurde.
Der Antrag sei weder zulässig noch begründet, heißt es in der Entscheidung. Zudem erklärt sich das BfArM für nicht zuständig und verweist an den Gesetzgeber. Das Betäubungsmittelgesetz in seiner momentanen Fassung diene „der medizinischen Versorgung, der Unterbindung von Betäubungsmittelmissbrauch sowie der Abkehr des Entstehens oder Erhaltens einer Betäubungsmittelabhängigkeit“. Daher sei der Antrag abzulehnen, denn er diene lediglich Genusszwecken.
Mär von Cannabis als Einstiegsdroge
Das Urteil besagt aber auch: Falls sich die Akzeptanz gesetzlicher Verbotsregelungen im Verlauf einer gesellschaftlichen Entwicklung tatsächlich verändere, sei es Aufgabe des Gesetzgebers, dieser etwaigen Änderung durch eine gesetzliche Neuregelung Rechnung zu tragen. Darauf aufmerksam machen auch seit geraumer Zeit deutsche Strafrechtsprofessorinnen und –professoren, und zwar mit einer Resolution an die Abgeordneten des Bundestages.
Selbst das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung von 1994 „das Suchtpotential der Cannabisprodukte als sehr gering eingestuft“. Auch die Mär von Cannabis als Einstiegsdroge hat sich wissenschaftlich als nicht haltbar erwiesen und im Ranking der Schadenspotentiale – sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum – rangiert Cannabis z.T. weit hinter Alkohol, Tabak und anderen Drogen.
Diskussion um regulierte Abgabe von Cannabis geht weiter
Die Verbotspolitik ist weder geeignet, Angebot und Nachfrage einzudämmen, noch, um die Probleme zu lösen, die damit einhergehen – vielmehr ist sie selbst die Ursache für zahlreiche Probleme wie Schwarzmarkt und organisierte Kriminalität, unbeabsichtigte Nebenwirkungen durch gesundheitsschädliche Streckmittel und hohe Ausgaben für den Justizapparat wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Gefängnisse.
Das heutige Urteil wird also die Diskussionen um eine regulierte Abgabe von Cannabis nicht stoppen – das ist erfreulich. Sicherlich ist die Unwissenheit und Inkompetenz der Bundesdrogenbeauftragten hinderlich in Bezug auf Aufklärung und Erkenntnisgewinn. Nichtsdestotrotz wird sich am Ende die Vernunft durchsetzen – höchstwahrscheinlich erst mit einer anders zusammengesetzten Bundesregierung.
Vorbilder im Ausland
Die bereits praktizierten alternativen Politikansätze wie in den Niederlanden, Portugal, Tschechien, Belgien, Spanien und in einzelnen Staaten der USA, zeigen zudem, wie ein anderer Umgang und eine evidenzbasierte und humane Drogenpolitik gelingen kann.
ist Mitglied der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg.