Inland

Katrin Budde: „Tröglitz ist nicht überall“

Der Tröglitzer Brandanschlag hat bundesweit für Entsetzen gesorgt. Ist Tröglitz überall, wie es Sachsen-Anhalts Ministerpräsident postulierte ? Nein, sagt die SPD-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts. Katrin Budde über die Notwendigkeit des NPD-Verbots, Zivilcourage und warum Tröglitz eben nicht allerorts ist.
von Sarah Schönewolf · 8. April 2015
Katrin Budde, SPD-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalt
Katrin Budde, SPD-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalt

Aufstehen, Gesicht zeigen gegen Alltagsrassismus und Fremdenhass fordern Politiker wie Justizminister Heiko Maas und SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz. Wie erleben Sie die Stimmung in Sachsen-Anhalt aktuell?

Ich erlebe ein hohes Maß an Betroffenheit und Wut darüber, dass mit Brandstiftung Flüchtlinge vertrieben werden sollen. Es ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, Menschen die Hilfe suchen, das Dach über dem Kopf anzuzünden. Dass dabei Menschenleben in Gefahr geraten, wird offensichtlich billigend in Kauf genommen. Gesicht zeigen gegen Alltagsrassismus und Fremdenhass ist und bleibt also eine Daueraufgabe unserer demokratischen Zivilgesellschaft.

„Tröglitz ist überall“ mahnte Ministerpräsident Reiner Haseloff und sprach von einem bundesweiten Phänomen …

Bei dem Satz „Tröglitz ist überall“ widerspreche ich dem Ministerpräsidenten vehement. Ein paar Kilometer weiter in Hohenmölsen zum Beispiel wurden Flüchtlinge willkommen geheißen, indem ihnen Bürgerinnen und Bürger ihre Stadt gezeigt haben. In vielen anderen Orten gibt es ähnliche Beispiele. Richtig ist aber, dass rechtsextreme Gewalt kein ostdeutsches Phänomen ist. Damit haben wir leider bundesweit Erfahrungen sammeln müssen.

Wie ist Ihre Einschätzung, gedeiht rechtes Gedankengut in Sachsen-Anhalt besonders gut?

Nein. Jede Tat wie in Tröglitz ist eine Tat zu viel. Die plakative Schlussfolgerung stimmt trotzdem nicht. Wir haben empirische Befunde aus dem Sachsen-Anhalt-Monitor, nach denen rechtsextremen Einstellungen im bundesweiten Vergleich insgesamt im Durchschnitt liegen. Das ist aber für das Verbrechen vom Osterwochenende völlig unerheblich. Wichtig ist, dass die gemeinsame Abwehr funktioniert. Die Täter dürfen mit ihren Methoden, das Flüchtlingsheim in Tröglitz wegzuzündeln, keinen Erfolg haben.

Gerade in kleinen Ortschaften mit wenig Zuzug scheinen die Vorbehalte gegen Flüchtlinge besonders groß. Wie kann hier eine andere Willkommenskultur geschaffen werden?

Je kleiner Orte sind, desto mehr fallen Menschen aus anderen Kulturkreisen natürlich auf. Und je weniger Berührungspunkte es in der Vergangenheit mit Migrantinnen und Migranten gab, desto größer sind oft die Vorbehalte. Dagegen hilft zum ersten nur eine frühzeitige Information und Einbeziehung der Menschen vor Ort. Zum zweiten müssen die Verantwortlichen wissen, dass sie die volle Rückendeckung vom Kreis oder vom Land haben, wenn es schwierig wird, und dass sie auch sonst Unterstützung bekommen. Damit stärkt man vor allem auch die Menschen in den Orten, die den Flüchtlingen helfen wollen. Nur so kann letzten Endes eine Willkommenskultur entstehen und wachsen.

Was würden Sie sich von einem NPD-Verbotsverfahren erhoffen? Welche Auswirkungen würde dies auf die rechte Szene in Sachsen-Anhalt haben?

Ein NPD-Verbotsverfahren ist kein Allheilmittel. Ein Richterspruch aus Karlsruhe wischt ja nicht den rechten Ungeist aus einigen Köpfen weg. Richtig und wichtig ist es trotzdem. Zum einen ist es unerträglich, dass eine solche Partei mit öffentlichen Geldern alimentiert wird. Zum anderen entzieht man denen die Grundlage, die sagen: ‚Was wollt ihr denn? Die NPD ist eine normale Partei, sonst wäre sie ja verboten.‘ Die rechte Szene in Sachsen-Anhalt verschwindet dadurch nicht, aber es stört sie.

 

Autor*in
Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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