Karl Lauterbach: „Eine zweite Corona-Welle muss auf jeden Fall vermieden werden.“
In Deutschland ist der Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle noch nicht erreicht. Die Folgen sind trotzdem deutlich spürbar. Eine zweite Welle im Verlauf des Jahres würde „ökonomisch und medizinisch verheerend“ werden, warnt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Eine zweite Welle muss auf jeden Fall vermieden werden“, sagt Lauterbach im Interview mit dem „vorwärts“. Deswegen dürften auf keinen Fall zu schnell die derzeit geltenden Restriktionen im täglichen Leben zurückgenommen werden.
Handy-Tracking kann vor Neuinfektionen schützen
Das Handy-Tracking, mit dem per freiwillig zur Verfügung gestellten Handydaten ermittelt werden soll, ob und wer sich in der Nähe eines Corona-Infizierten aufgehalten hat, ist für Lauterbach „eine der wichtigsten Maßnahmen überhaupt“. Diese App, wenn sie denn einsetzbar ist, diene sowohl dem Selbstschutz als auch dem Schutz der anderen.
Lauterbach zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass wir mittelfristig wieder mit den gewohnten Freiheiten werden leben können, wenn ein entsprechender Impfstoff entwickelt, getestet und in großen Mengen produziert worden ist. Der Epidemiologe rechnet damit, dass dies aber mindestens noch eineinhalb Jahre dauern wird. „In diesen anderthalb Jahren werden wir einfach anders leben, als wir in der Vergangenheit gelebt haben.“ Auch die Wirtschaft werde in dieser Zeit nicht die gleiche Kraft wie vor dem Pandemie haben. „Darauf muss man die Menschen vorbereiten“, so Lauterbach. Danach kämen die Freiheitsrechte auch wieder.
Pandemien wird es immer wieder geben
Perspektivisch betrachtet geht der Mediziner davon aus, dass Pandemien wie die des Corona-Virus in Zukunft „sehr sicher“ immer wieder vorkommen werden. Durch die Zunahme der Bevölkerung, die zunehmende Urbanisierung und Globalisierung sowie durch den hohen Reiseverkehr müssten wir damit rechnen, dass es mehr Pandemien dieser Art geben wird. Künftig würden auch noch die Auswirkungen des Klimawandels deren Verbreitung begünstigen.
Bei der aktuellen Krise seien in Europa bei der Vorbereitung Fehler gemacht worden, sagt Lauterbach. Er kritisiert, dass die Gefahr „dramatisch unterschätzt“ worden sei, weil man eine starke Pandemie nicht erwartet habe und nicht damit gerechnet habe, dass sie sich so schnell verbreite. Das sei in asiatischen Ländern durch deren Erfahrung mit früheren Epidemien anders gewesen.
Kritische Güter selbst produzieren und vorhalten
Um auf Pandemien künftig besser vorbereitet zu sein, fordert Lauterbach einen „guten und umfänglichen Pandemieplan“. Es müsse zudem kontrolliert werden, dass dieser Plan auch umgesetzt werde. Deutschland müsse in der Lage sein, kritische Güter für den Notfall selbst zu produzieren. Lauterbach empfiehlt, bestimmte Medikamente, Schutzkleidung und Masken im Land selbst zu produzieren und vorzuhalten. Es sei möglich, „dass wir aus dieser Pandemie sehr viel lernen und auch umsetzen können“.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.