Karl Lauterbach: Deutschlands Wunsch-Gesundheitsminister
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Es war die Frage, die in den vergangenen Wochen und Tagen die Medien am meisten beschäftigte: Wer übernimmt das in der Corona-Pandemie so wichtige Bundesministerium für Gesundheit? Für Olaf Scholz, so betont er am Montag bei der Präsentation der SPD-Minister*innen im Willy-Brandt-Haus, ist die Sache ganz einfach: Angesichts der Corona-Pandemie „haben sich – anders kann man das gar nicht sagen – bestimmt die meisten Bürgerinnen und Bürger gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach ist, das wirklich gut kann und dass er Karl Lauterbach heißt“. Und dann – typisch Scholz, kurz und knapp: „Er wird es“.
Applaus im Willy-Brandt-Haus. Der zukünftige Minister bedankt sich beim künftigen Kanzler und seiner Partei für das Vertrauen. „Ich möchte mich auch bedanken für die vielen zustimmenden Worte, die ich aus der Bevölkerung bekommen habe.“ Das Gesundheitsministerium sei ein sehr wichtiges Amt, gerade jetzt. „Wir müssen diese Pandemie bekämpfen“, zeigt sich Lauterbach entschlossen. Die Pandemie werde länger dauern, als mancher denke. „Wir werden das aber schaffen. Impfen wird die zentrale Rolle spielen.“
Die neue Regierung werde das Gesundheitssystem auch über Corona hinaus stärken, verspricht der künftige Minister. „Mit uns wird es keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben, ganz im Gegenteil: Wir werden das System wieder robuster machen“, stellt Lauterbach klar. „Wir sind stolz auf ein gutes Gesundheitssystem. Wir werden es benötigen.“ Der Gesundheitsminister in spe zeigt sich zuversichtlich: „Wir werden den Kampf mit der Pandemie gewinnen. Und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein, als wir es für diese gewesen sind.“
Karriere als Mediziner und Gesundheitsmanager
Dass Prof. Dr. med. Dr. sc. (Harvard) Karl Lauterbach – so seine offiziellen Titel – „vom Fach“ ist, wie es Olaf Scholz am Montag formuliert, zeigt schon sein beruflicher Lebenslauf: Der 1963 in Düren Geborene studiert in Aachen, Düsseldorf und San Antonio (Texas) in den 1980er Jahren Medizin und erlangt seine Promotion zum Dr. med. im Institut für Nuklearmedizin der Kernforschungsanlage Jülich 1990. Dann macht der Mediziner Karriere in den USA: Hier erwirbt er zwei Master-Titel und einen weiteren Doktortitel. 1998 wird er Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, 2008 Professor für Gesundheitspolitik und -management der Harvard School of Public Health. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Vorbeugung von chronischen Erkrankungen, insbesondere Disease Management von Diabetes Mellitus, Hypertonie, COPD, und Hypercholesterinämie sowie Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik.
Kein Wunder, dass irgendwann auch die Politik auf ihn aufmerksam wird: So wird Karl Lauterbach 1999 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen wurde. 2003 wird er in die Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme (Rürup-Kommission) berufen, 2004 in die Arbeitsgruppe Bürgerversicherung des SPD-Parteivorstandes.
Seit 2005 stets direkt in den Bundestag gewählt
Der SPD gehört Karl Lauterbach seit 2001 an, seit 2005 dem Deutschen Bundestag. In seinem Wahlkreis Leverkusen-Köln IV wird der Sozialdemokrat stets direkt ins Parlament gewählt, 2021 mit dem Ergebnis von 45,6 Prozent der Erststimmen, dem drittbesten Ergebnis aller SPD-Abgeordneten. Im Bundestag ist Lauterbach von 2009 bis 2013 gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. 2013 wird er Mitglied im Kompetenzteam des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, verantwortlich für die Bereiche Gesundheit und Pflege, wenn man so möchte also „Schattengesundheitsminister“. Bekanntlich wird Steinbrück nicht Kanzler und Lauterbach nicht Minister. Stattdessen wird er 2013 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion bis 2020.
Im Jahr 2019 kandiert er zusammen mit Nina Scheer für den SPD-Vorsitz. In der ersten Runde der SPD-Mitgliederbefragung kommen die beiden mit knapp 15 Prozent der Stimmen auf den 4. Platz und scheiden somit aus der Stichwahl um den Parteivorsitz aus.
Lauterbach und das Konzept der Bürgerversicherung
In der Gesundheitspolitik ist Lauterbachs Name besonders verbunden mit der Forderung nach Einführung einer Bürgerversicherung, welche die von ihm als Zwei-Klassen-Medizin kritisierte Einteilung der Patienten in privat und gesetzlich Versicherte überwinden soll. Dieses Konzept verfolgt die SPD mittlerweile seit vielen Jahren. Es wird inzwischen von einer großen Mehrheit in der Bevölkerung befürwortet.
Seit der Corona-Pandemie tritt Lauterbach in vielen TV-Sendungen, wie Nachrichten und Talkshows, als Gesundheitsexperte auf. Dabei gehört er zu den frühen Warner*innen vor dem Virus und rät immer wieder zu größerer Vorsicht. So warnt er vor zu raschen Lockerungen und spricht sich für schnelle und durchgreifende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aus. Schon im vergangenen Jahr beschreibt er die Gefahren von Mutationen des Coronavirus, die seine Übertragbarkeit erhöhen können. Es ist genau das, was die Welt zur Zeit mit der Omikron-Mutation erleben muss.
Mit und ohne Markenzeichen erkennbar
Eines der Markenzeichen Karl Lauterbachs ist über viele Jahre seine Fliege. Die trägt er seit seiner Arbeit als Arzt in den USA. Die Fliege, so erklärt er einmal, werde in den USA als Erkennungsmerkmal des Arztes auf einer Station im Krankenhaus genutzt, da eine Krawatte aus hygienischen Gründen untauglich sei. Seit dem letzten Jahr trägt Lauterbach aber meist einen offenen Hemdkragen und daher kaum noch eine Fliege. Doch auch ohne sein Markenzeichen bleibt er erkennbar, künftig noch deutlicher als Bundesgesundheitsminister.