Kanzlerwahl von Olaf Scholz: Was heute in Berlin passiert
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16 lange Jahre musste die SPD auf diesen Tag warten: Am 8. Dezember soll ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt werden. Es ist der neunte der Bundesrepublik und der vierte Sozialdemokrat in diesem Amt nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Was genau passiert heute in der Hauptstadt?
Um 9 Uhr tritt der Bundestag im Reichstagsgebäude zusammen. Erster Tagesordnungspunkt ist die Wahl des Bundeskanzlers. Wie sie genau abläuft, regelt Artikel 63 des Grundgesetzes. Danach wird der Kanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird ein entsprechender Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorliegen, der dann verlesen und zur Abstimmung gestellt wird.
Geheime Wahl im Bundestag
Die Wahl ist geheim, das heißt die Abgeordneten wählen nicht offen per Handzeichen, sondern per Stimmzettel und Urne. Für den Wahlvorgang sind 90 Minuten eingeplant. Dann werden die Stimmen ausgezählt. „Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt“, heißt es dazu im Grundgesetz. Erfolgreich ist also, wer die so genannte Kanzlermehrheit erreicht. Das sind bei aktuell 736 Mitgliedern im Bundestag 369 Stimmen. Die Fraktionen der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP verfügen zusammen über 416 Mandate, also eine deutliche Mehrheit.
Ist Olaf Scholz zum Kanzler gewählt, wird ihn Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vor dem Plenum fragen, ob er die Wahl annimmt. Dies wird vermutlich gegen 10.30 Uhr sein. Sobald er die Frage mit „Ja“ beantwortet hat, begibt er sich zum Bundespräsidenten in das Schloss Bellevue. Hier passiert dann das, was das Grundgesetz so beschreibt: „Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.“ Der Bundespräsident überreicht dem neuen Kanzler die Ernennungsurkunde.
Vereidigung des Kanzlers
Der begibt sich dann unverzüglich zurück zum Reichstagsgebäude, wo er von der Bundestagspräsidentin vor den Mitgliedern des Bundestages den Amtseid ablegt. Das wird gegen 12 Uhr sein. Die Eidesformel ist in Artikel 56 des Grundgesetzes festgelegt. Sie lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“ Sie kann mit religiöser Beteuerung – „So wahr mir Gott helfe“ – gesprochen werden, muss es aber nicht.
Der konfessionslose Olaf Scholz hat bei seinen bisherigen Vereidigungen stets auf den religiösen Zusatz verzichtet. Das wird auch heute wieder in Berlin erwartet. Gerhard Schröder war 1998 und 2002 der erste Kanzler, der auf die religiösen Beteuerung der Eidesformel verzichtet hatte. Auch wird im Bundestag, im Gegensatz etwa zur Vereidigung der US-Präsidenten, nicht auf die Bibel geschworen, sondern auf die Verfassung, auf die Urfassung des Bonner Grundgesetzes aus dem Jahr 1949, die in einem Tresor des Bundestags aufbewahrt wird.
Um 12.30 Uhr geht es dann wieder zum Schloss Bellevue. Diesmal kommt der neue Kanzler aber nicht allein, sondern zusammen mit seinen künftigen Bundesminister*innen. Die werden nämlich nach Artikel 64 des Grundgesetzes „auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen“. Bundespräsident Steinmeier wird den neuen Kabinettsmitgliedern ihre Ernennungsurkunden überreichen.
Auch die Minister*innen werden vereidigt
Gegen 13.30 Uhr geht es dann wieder zurück in den Reichstag. Bundestagspräsidentin Bas wird den Abgeordneten die Mitteilung des Bundespräsidenten verlesen, welche Politiker*innen er in welches Ressort der Regierung berufen hat. Die Bundestagpräsidentin wird die Eidesformel nach Artikel 56 verlesen und jeden Bundesminister und jede Bundesministerin einzeln zur Eidesleistung aufrufen. Die Minister*innen können das tun mit der Eidesformel „Ich schwöre es“ oder mit der Hinzufügung der religiösen Beteuerung „So wahr mir Gott helfe“. Mit der Vereidigung der gesamten Bundesregierung ist die Regierungsbildung abgeschlossen, die neue Regierung Scholz ist im Amt.
Am selben Tag übernimmt der Kanzler im Bundeskanzleramt die Amtsgeschäfte von seiner Vorgängerin Angela Merkel. Genau so erfolgt auch in den Bundesministerien die Amtsübergabe von den alten an die neuen Bundesminister*innen der Ampel-Koalition.
Und wenn die Wahl nicht klappt?
Sollte jedoch der von niemandem erwartete Fall eintreten, dass der vom Bundespräsidenten vorgeschlagene Kandidat nicht die nötige Kanzlermehrheit erreicht, beschreibt Artikel 63 des Grundgesetzes, was dann passiert: „Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.“
Kommt auch innerhalb dieser Frist keine Wahl zustande, „so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält“. In diesem Fall reicht die einfache Mehrheit der Stimmen aus, eine Kanzlermehrheit ist nicht mehr nötig. Der so Gewählte muss vom Bundespräsidenten „binnen sieben Tagen nach der Wahl“ ernannt werden. „Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.“ Diese Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bis jetzt jedoch noch nie eingetreten.