Inland

Kälter, dunkler, kürzer: Welche Regeln zum Energiesparen jetzt gelten

Deutschland wird dunkel – so lässt sich ein Teil der Energiesparmaßnahmen zusammenfassen, die seit 1. September gelten. Doch die Regeln schreiben noch mehr vor, unter anderem für die Heizung zuhause und am Arbeitsplatz. Eine Übersicht.
von Benedikt Dittrich · 1. September 2022
Bereits seit mehreren Wochen nachts dunkel um Energie zu sparen: Der Kölner Dom.
Bereits seit mehreren Wochen nachts dunkel um Energie zu sparen: Der Kölner Dom.

Die Ampel-Koalition bereitet Deutschland auf den Winter vor: Seit dem 1. September gelten erweiterte Energiesparmaßnahmen, um den Gas- und Stromverbrauch in den kommenden Monaten zu senken. Grundlage für die Einsparmaßnahmen ist eine Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung. Betroffen sind vor allem öffentliche Einrichtungen, es geht aber auch um die Temperatur am Arbeitsplatz und Licht auf Straßen und Plätzen.

Beleuchtung im öffentlichen Raum

Es ist die sichtbarste Energiesparmaßnahme: Wahrzeichen wie der Kölner Dom, das Brandenburger Tor, aber auch viele Rathäuser werden ab September nachts nicht mehr beleuchtet. In einigen Bundesländern und Städten gab es schon zuvor ähnliche Regelungen, nun gilt bundesweit eine Art „Beleuchtungsverbot“.

Ausnahmen gibt es für Notfallbeleuchtungen oder wenn in anderer Form die Sicherheit im öffentlichen Raum gefährdet ist, auch für zeitlich begrenzte Kulturveranstaltungen oder Stadtfeste kann diese Regel ausgesetzt werden.

Auch für helle Werbetafeln und beleuchtete Anzeigen im öffentlichen Raum heißt es nun „Licht aus“: Ab 22 Uhr abends bis 16 Uhr nachmittags dürfen diese nicht mehr leuchten oder angestrahlt werden. Werbetafeln, die auch für notwendige Beleuchtung sorgen, beispielsweise an Bushaltestellen, können allerdings eingeschaltet bleiben.

Privaträume

Mieter*innen dürfen ihre Raumtemperatur senken, ohne Ärger von ihren Vermieter*innen befürchten zu müssen. In manchen Mietverträgen gibt es Vorgaben für Mindesttemperaturen, diese sind nun außer Kraft gesetzt. Die Mieter*innen dürfen selbst über die Temperatur ihrer Wohnung entscheiden, sollen aber natürlich weiterhin noch so heizen und lüften, dass sich kein Schimmel bildet.

Richtig kalt dürfte es hingegen in privaten Schwimmbecken oder Pools werden: Diese dürfen künftig weder mit Strom noch mit Gas aus dem Netz beheizt werden. Ausnahmen: Wasserbecken, die für therapeutische Anwendungen genutzt werden. Schwimmbäder in Hotels, Rehazentren oder Freizeiteinrichtung sind ebenfalls ausgenommen.

Öffentliche Gebäude

Abgesehen von Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas werden künftig in öffentlichen Gebäuden Flure und ähnliche Flächen gar nicht mehr beheizt. Wo sich regelmäßig Menschen aufhalten, beispielsweise in Theatern, Museen oder ähnlichem, soll maximal auf 19 Grad geheizt werden.

Aus dem Wasserhahn dürfte künftig außerdem kein heißes Wasser mehr kommen: Durchlauferhitzer oder Warmwasserspeicher sollen nach Möglichkeit abgeschaltet werden, solange mit dem Wasser überwiegend die Hände gewaschen werden. Von der Regel kann abgewichen werden, sofern das aus hygienischen Gründen notwendig ist, beispielsweise um Verunreinungen im Trinkwasser durch Legionellen vorzubeugen.

Arbeitsplatz und Einzelhandel

Für die Heizung am Arbeitsplatz gelten dieselben Temperaturvorgaben wie in öffentlichen Räumen: maximal 19 Grad Celsius. Je nach Tätigkeit darf die Temperatur übrigens sogar noch weiter abgesenkt werden, bei besonders schweißtreibender körperlicher Arbeit bis auf 12 Grad. Bisher galt über die Arbeitsstättenverordnung eine Temperatur von 21 Grad für Aufenthaltsräume.

Wer in den kommenden Monaten shoppen geht, sieht es vielleicht bei dem einen oder anderen Geschäft: Wo Geschäftsräume beheizt werden, darf künftig nicht mehr permanent die Tür offen stehen.

Was das alles bringen soll

Die Verordnung gilt zunächst für sechs Monate, also bis Ende Februar 2023, eine weitere Verordnung soll ab dem 1. Oktober für zwei Jahre gelten. Die dort vorgesehenen Maßnahmen zielen unter anderem auf die Modernisierung und Optimierung von Heizungsanlagen, darüber muss aber auch der Bundesrat noch abstimmen. Begründet werden beide Verordnungen damit, dass „zusätzlich kurzfristig umzusetzende und befristete Energieeinsparmaßnahmen zur Stärkung der Vorsorge von großer Bedeutung“ sind, „um den Eintritt einer Notfallsituation in diesem und im nächsten Winter zu vermeiden“. Im Klartext: Wenn jetzt alle ein bisschen sparen, soll damit ein Gas-Notstand vermieden werden.

Wie viel die jeweiligen Maßnahmen am Ende bringen, lässt sich im Einzelnen schwer vorhersagen. Allerdings gibt es ein paar Eckdaten, die Hinweise geben. So sollen beispielsweise große, digitale Werbetafeln an Ausfallstraßen pro Jahr so viel Strom wie zehn Single-Haushalte zusammengenommen verbrauchen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schätzt auf dieser Grundlage den Stromverbrauch solcher Werbetafelninsgesamt in Deutschland auf mehr als 110.000 Megawattstunden. Das entspricht dem Stromverbrauch von mehreren zehntausend Haushalten in Deutschland, rechnet beispielsweise die „Tagesschau“ vor.

Einen weiteren Fingerzeig gibt es bei den Heizkosten: Wer bei sich zuhause die Temperatur um ein Grad Celsius senkt, kann damit rund sechs Prozent beim Verbrauch sparen, schreiben die Verbraucherzentralen. Dieses mögliche Einsparpotenzial gilt natürlich auch für Büros und andere Räume. Die Zielvorgabe ist beim Gas übrigens klar und auf EU-Ebene geregelt: Mindestens 15 Prozent Energie wollen die EU-Länder einsparen, nach Möglichkeit mehr. Und da in Deutschland auch viel mit Gas geheizt wird, ist der Hebel dort – neben dem Gasverbrauch in der Industrie – besonders groß. Hinzu kommt: Gas wird weiterhin in Kraftwerken verstromt, was auch die Strompreise hochschnellen lässt.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare