Inland

Justizministerin Lambrecht: Mahrenholz war ein großer Sozialdemokrat und Jurist

Ernst Gottfried Mahrenholz, der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, ist mit 91 Jahren gestorben. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht würdigt die juristische Leidenschaft und Brillanz des Sozialdemokraten.
von Christine Lambrecht · 2. Februar 2021
Ernst Gottfried Mahrenholz: Der Sozialdemokrat war von 1981 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht, ab 1987 dessen Vizepräsident.
Ernst Gottfried Mahrenholz: Der Sozialdemokrat war von 1981 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht, ab 1987 dessen Vizepräsident.

Am 28. Januar 2021 ist Ernst Gottfried Mahrenholz gestorben. Mit ihm hat uns ein großer Sozialdemokrat und Jurist verlassen, ein leidenschaftlicher Fürsprecher für die Werte des Grundgesetzes und eine Persönlichkeit, die unseren demokratischen Verfassungsstaat nachhaltig geprägt hat. Mein tief empfundenes Beileid gilt seinen Angehörigen, seinen Freunden und Weggefährten und allen Menschen, deren Leben er berührt hat.

Lambrecht: ein scharfsinniger und unkonventioneller Denker

Ernst Gottfried Mahrenholz wurde 1929 in Göttingen geboren und trat 1950, noch während des Studiums, in die SPD ein. Schon bald nach Ablegung beider juristischer Staatsexamen und seiner Promotion wurde er persönlicher Referent des sozialdemokratischen niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf. „Widersprich mir, dafür wirst du bezahlt!“, rief dieser seinem jungen Referenten einmal zu. Ein Satz, der auf Ernst Gottfried Mahrenholz augenscheinlich starken Eindruck machte; schon bald hatte er sich einen Ruf als scharfsinniger und unkonventioneller Denker erarbeitet – ein Ruf, der ihn sein Leben lang begleiten sollte.

Nach verschiedenen Aufgaben in der niedersächsischen Landesverwaltung wurde Ernst Gottfried Mahrenholz Direktor des Funkhauses Hannover des Norddeutschen Rundfunks. In diesem Amt setzte er sich leidenschaftlich für eine auskömmliche Finanzierung des öffentlichen Rundfunks und für eine Stärkung von dessen kulturellem Angebot ein. Unter dem Ministerpräsidenten Alfred Kubel wurde Ernst Gottfried Mahrenholz 1970 dann zum Staatssekretär ernannt und übernahm die Leitung der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen. Bei der nachfolgenden Wahl errang er für die SPD ein Landtagsmandat (das er später mit fulminantem Ergebnis verteidigte) und übernahm das Amt des niedersächsischen Kultusministers. Es waren turbulente und von dem deutlich vernehmbaren Wunsch nach gesellschaftlichem Wandel geprägte Zeiten, in denen er sein Ministerium führte und sich beherzt für die nötige Modernisierung des Schulwesens einsetze.

Große Verdienste um die Auslegung des Grundgesetzes

Im Jahre 1981 wurde Ernst Gottfried Mahrenholz zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Er hat die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts, dessen Vizepräsident er 1987 wurde, entscheidend mitgeprägt. Als Richter und sodann als Vorsitzender des Zweiten Senats erwarb er sich große Verdienste um die Auslegung unseres Grundgesetzes und damit um die Ausbuchstabierung des dort gemachten Versprechens von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz. Zahlreiche Entscheidungen des Gerichts, die seine Handschrift tragen, sind in die Verfassungsgeschichte eingegangen. Die historischen Urteile etwa zum NATO-Doppelbeschluss oder zu den parlamentarischen Rechten fraktionsloser Abgeordneter sind für Verfassungsjuristinnen und Verfassungsjuristen auch heute noch zentrale Bezugspunkte der eigenen Arbeit.

Leuchtende Zeugnisse der juristischen Leidenschaft und Brillanz von Ernst Gottfried Mahrenholz sind die mit seinem Namen verbundenen Sondervoten aus seiner Zeit als Verfassungsrichter. Es nimmt nicht wunder, dass die 1994 zu seinen Ehren erschienene Festschrift den Titel „Gegenrede“ trägt und mit einer aus der Feder des bekannten Justizjournalisten Rolf Lamprecht stammenden „Hommage an einen Dissenter“ beginnt. Wer den Kriegsdienst mit der Waffe nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, der hatte in ihm einen engagiert argumentierenden Fürsprecher. Auch für einen starken Schutz parlamentarischer Minderheiten und für die Befugnisse des Bundestages, das Recht des Schwangerschaftsabbruchs zu liberalisieren und sich dabei von der Autonomie der Frau leiten zu lassen, trat Ernst Gottfried Mahrenholz ein – wortgewandt, mit wohlerwogenen Argumenten und von seinen festen Überzeugungen und seinem moralischen Kompass geleitet.

Auch im Ruhestand aktiv für die Demokratie

Nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Jahre 1994 machte sich Ernst-Gottfried Mahrenholz tatkräftig um die Förderung der vielfältigen zivilgesellschaftlichen Anliegen verdient, die ihm am Herzen lagen. So war er etwa Präsident der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft und der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung. Im öffentlichen Diskurs blieb Ernst Gottfried Mahrenholz mit wohlüberlegten und präzisen verfassungsrechtlichen Stellungnahmen präsent. Im Jahre 2019 verlieh ihm Ministerpräsident Stephan Weil die Niedersächsische Landesmedaille, die höchste, nur selten vergebene Auszeichnung des Landes. Die langjährigen und vielfältigen Verdienste von Ernst Gottfried Mahrenholz um unser demokratisches Gemeinwesen finden in dieser Ehrung verdientermaßen ihren sichtbaren Ausdruck.

Wir werden Ernst Gottfried Mahrenholz – den herausragenden Sozialdemokraten, den bedeutenden Juristen und Demokraten und dem wundervollen Menschen – in ehrenvollem Andenken bewahren.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare