Inland

Jugendliche würden Idealismus wählen

von Carl-Friedrich Höck · 26. Februar 2013

Vor der Bundestagswahl im September können auch Kinder und Jugendliche ihre Stimme abgeben: bei der bundesweiten U18-Wahl. Das Projekt soll junge Menschen neugierig auf Politik machen und verrät nebenbei viel über ihre Interessen. Der vorwärts sprach mit der Projektkoordinatorin Milena Feingold.

vorwärts.de: Frau Feingold, was genau ist die U18-Wahl?

Milena Feingold: Sie findet neun Tage vor der offiziellen Bundestagswahl statt, also am 13. September. Alle Kinder und Jugendlichen können dann ihre Stimme abgeben. Als Wahllokale können sich alle Schulen, Freizeiteinrichtungen, Sportvereine, Jugendverbände und Jugendklubs beteiligen, solange sie keiner Parteiorganisation angehören.

Warum glauben Sie, dass sich junge Menschen mehr für Politik interessieren, wenn sie an einer bedeutungslosen Spaß-Wahl teilnehmen?

Wir glauben, dass man Demokratie üben muss. Je früher sich junge Menschen mit demokratischen Prozessen auseinandersetzen und selber daran teilnehmen können, umso eher nehmen sie später ihre politischen Rechte wahr und empfinden es als selbstverständlich, wählen zu gehen. Bei uns geht außerdem nicht alles bierernst zu. Wir vermitteln, dass Politik auch Spaß machen kann.

Ganz so bedeutungslos ist unsere Wahl übrigens gar nicht. Wir geben Kindern und Jugendlichen eine Stimme. Dafür interessieren sich auch viele Politiker, denn die 15- bis 17-Jährigen von heute sind beim nächsten Mal schon Erstwähler.

Sie meinen, die Politiker wollen wissen, ob ihre Partei bei jungen Menschen ankommt....

Genau. Bei der letzten Berliner Abgeordnetenhauswahl haben wir am Rand der U18-Wahl auch eine Wählerbefragung durchgeführt. Da haben wir die Themen abgefragt, die für Jugendliche besonders interessant sind.

Was kam dabei heraus?

Es sind die Themen, die besonders nah an ihrer Lebenswelt dran sind. Also zum einen das lokale Umfeld: Warum wird hier der Jugendklub geschlossen? Warum wird hier die Straßenverbindung umgebaut? Eben das, was sie selber sehen und woran sie beteiligt sind. Zum anderen sind es Themen wie Jugendarbeitslosigkeit oder Klima- und Umweltschutz.

Sie haben ja in den vergangenen Jahren schon einige Wahlen durchgeführt. Wählen Kinder und Jugendliche anders als der Durchschnitt der Bevölkerung?

Tendenziell schon. Sie sind eher linksorientiert. SPD und Grüne waren in den letzten Jahren immer die stärksten Parteien. Die CDU bekam dagegen meist weit weniger Stimmen als bei den "echten" Wahlen. Bemerkenswert ist auch, dass die Piratenpartei schon seit vielen Jahren immer im Parlament vertreten wäre, wenn es nach den Jugendlichen ginge. Das Gleiche gilt für die Tierschutzpartei.

Woran liegt das?

Gerade solche Themen wie Klima- und Umweltschutz bewegen die jungen Menschen. Da ist auch immer eine gehörige Portion Idealismus mit dabei. Anscheinend haben die Jugendlichen das Gefühl, dass die linken Parteien diesen Idealismus eher mit ihnen teilen als die konservativen. Bei den Piraten spielt das Internet und die digitale Welt eine große Rolle, was für die Jugendlichen ja sowieso ein Riesenthema ist. Und es hat wohl auch mit dem Image zu tun: Viele junge Menschen halten die Grünen einfach für cooler als die FDP.

Bei dem Projekt der U18-Wahl geht es nicht nur um das Ausfüllen eines Stimmzettels. Was genau passiert denn vor dem Wahltag?

Zuerst müssen sich die Einrichtungen auf unserer Internetseite anmelden. Dann können sie alle möglichen Aktionen durchführen. Wir stellen dazu auch Hilfsmittel online zur Verfügung, zum Beispiel Lehrmaterial für Schulen und außerschulische Träger. Wichtig ist dabei, dass die Kinder und Jugendlichen sich aktiv beteiligen können und ihnen die demokratischen Prozesse und politischen Inhalte auch spielerisch vermittelt werden. Am 13. September sind sie dann hoffentlich gut informiert und können sich online ein Wahllokal heraussuchen und dort vor Ort ihre Stimme abgeben. Die Wahl selbst läuft genauso ab, wie die Bundestagswahl auch, mit Wahlkabine, fast identischen Stimmzetteln und Wahlurne. Die Ergebnisse werden am Wahlabend online und in der U18-Wahlsendung veröffentlicht.

Bei der letzten Bundestagswahl haben 72,2 Prozent der Wahlberechtigten teilgenommen. Wie groß ist denn die Resonanz bei der U18-Wahl?

Bei der letzten U18-Bundestagswahl 2009 haben deutschlandweit knapp 130.000 Kinder und Jugendliche gewählt. Ich denke, dass wir das in diesem Jahr noch steigern können. Denn diesmal konnten wir in fast jedem Bundesland eine Landeskoordinierungsstelle etablieren. Das sind regionale Partner, die in der Jugendarbeit aktiv sind und sich in dem jeweiligen Bundesland um die Einrichtung der Wahllokale kümmern. Außerdem ist unser Projekt über die Jahre hinweg immer bekannter geworden, zum Beispiel durch die Auszeichnung „Land der Ideen“ der Bundesregierung, sodass wir jetzt erst richtig in Fahrt kommen.

Milena Feingold ist die Projektkoordinatorin der U18-Bundestagswahl 2013. Weitere Informationen zu dem Projekt gibt es im Internet unter www.u18.org.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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