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Jobtausch: SPD-Minister Heil im Krankenhaus, Reinigungskraft macht Politik

Reinigungskraft Susanne Holtkotte und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil tauschen für einen Tag ihren Arbeitsplatz. Holtkotte nimmt am 100. ILO-Jubiläum teil, Heil packt beim Bettenmachen im Krankenhaus „ordentlich mit an", berichtet Holtkotte dem vorwärts von diesem außergewöhnlichen Tag.
von Vera Rosigkeit · 13. Juni 2019

Rund 1.100 Euro netto verdient Susanne Holtkotte derzeit als Reinigungsfachkraft. Denkt sie an ihre Zukunft, hat die 48-Jährige eher Befürchtungen als Erwartungen. In 18 Jahren wird sie voraussichtlich mit einem monatlichen Betrag von 715 Euro in Rente gehen.

Holtkottes Arbeit: schweißtreibend und anstrengend

Sie sei nicht in der Position sagen zu können, was einer Reinigungsfachkraft in Deutschland an Lohn zustehe, betont sie. „Mancher sagt, wir müssten mindestens 25 Euro die Stunde verdienen. Emotional betrachtet ist das auch richtig, denn wir gehen wirklich jeden Tag an unsere Grenzen“, beschreibt Holtkotte ihre Arbeit. Schweißtreibend und anstrengend sei es, täglich im Krankenhaus 100 bis 130 Bettdecken zu beziehen, „da fallen einem hinterher die Arme ab“.

Wie anstrengend diese Arbeit ist, hat vor Kurzem Hubertus Heil persönlich erlebt. Denn im Februar diskutierte der Bundesarbeitsminister gemeinsam mit Holtkotte in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ zum Thema Grundrente, einem Konzept des SPD-Politikers gegen Altersarmut. Heil bot am Ende der Sendung an, für einen Tag seinen Job mit der Reinigungsfachkraft zu tauschen und hielt Wort.

Mindestlohn reicht nicht für gute Rente

Nach Heils Plan sollen Menschen mit geringem Einkommen einen Zuschlag zur Rente erhalten, wenn sie 35 Jahre Arbeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen nachweisen können. Das sind Menschen, die wie Susanne Holtkotte aufgrund zu niedrigen Lohns nach 30, 40 oder mehr Jahren Erwerbstätigkeit in Rente gehen und aufstocken müssen.

„Über dem Daumen gepeilt, müsste ich ab morgen 13,50 Euro die Stunde verdienen, damit ich in 20 Jahren nicht aufstocken muss“, erklärt Holtkotte das Dilemma. Das setze allerdings voraus, dass man kräftig an der „Mindestlohnschraube“ drehen müsse, rechnet sie. Denn derzeit liegt der Mindestlohn für die Gebäudereinigung bei 10,56 Euro.

Bekannt wurde die Bochumerin durch eine WDR-Dokumentation „Arm trotz Arbeit“. Ob sie bereit sei, „ein wenig ihr Leben offenzulegen und auch zu sagen, was sie verdiene“ lautete die Frage. Sie schäme sich nicht für ihre Arbeit und auch nicht für das Geld, was sie dafür verdiene, sagt Holtkotte. Es folgte eine Reportage im ARD-Morgenmagazin, dann der Auftritt in „hart aber fair“.

Heil im Krankenhaus, Holtkotte bei ILO-Jubiläum

Schon auf der Rückfahrt nach der Sendung habe sie im Zug Terminvorschläge aus dem Bundesministerium erhalten, um Hubertus Heil einen Tag im Amt zu begleiten, berichtet Holtkotte. Am 12. März nahm sie an einer Jubiläumsveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Berlin teil. Traf Politiker wie ILO-Chef Guy Ryder und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Das war ein großartiger Tag“, betont sie.

Im Gegenzug habe sie dem Minister „nur einen Reinigungstag“ anbieten können, erzählt Holtkotte weiter. Aber auch das sei ein schöner Tag gewesen. Von 7:30 Uhr bis kurz vor eins sei Heil ihr im Bochumer Krankenhaus Bergmannsheil bei ihrer Arbeit zur Hand gegangen und habe ordentlich mit angepackt. Das hätten ihr die Kollegen hinterher auch bestätigt. „Die waren ganz begeistert, weil er so nahbar ist und authentisch rüber kam.“ So hatten die Kolleginnen überhaupt einmal die Gelegenheit, einen Minister persönlich kennenzulernen und sich mit ihm zu unterhalten.

Grundrente eine Frage des Respekts

Und Heil wiederum habe gesehen, was die Leute tagtäglich leisten müssen. Und unter welchen Umständen, z.B. wie stickig die Luft in den Räumen sei. Für ihn sei klar gewesen, berichtet Holtkotte, dass solche Arbeiten einfach besser entlohnt werden müssen.

Der Bundesarbeitsminister wird später sagen, dass ihn der „Arbeitsbesuch“ bei Susanne Holtkotte darin bestärkt habe, für eine ordentliche Grundrente zu kämpfen. Das es eine Frage des Respekts sei, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, eine Grundrente bekommen, die den Namen auch verdient. Heil wörtlich: „Susanne Holtkotte käme am Ende ihres Berufslebens auf rund 715 Euro Rente. Das kann einfach nicht sein. Mit der Grundrente käme sie auf etwa 1.000 Euro. Dafür lohnt es sich zu streiten.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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