Inland

Job-Turbo: So sollen 400.000 Geflüchtete den Arbeitsmarkt entlasten

Politik und Wirtschaft ziehen an einem Strang: Es geht darum, Geflüchtete schneller und nachhaltig in Arbeit zu integrieren. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil lud deshalb zu einem Arbeitsmarktgipfel ein und besuchte ein ICE-Werk der Deutschen Bahn.
von Vera Rosigkeit · 21. November 2023
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit ukrainischen Mitarbeiterinnen der Deutschen Bahn
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit ukrainischen Mitarbeiterinnen der Deutschen Bahn

140.000 der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer*innen haben einen Job, knapp 19 Prozent. Das sei ein Anfang, „aber das reicht mir bei weitem nicht“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Montag in Berlin. Mit einem im Oktober verkündeten „Job-Turbo“ will er das ändern. Damit das gelingt, lud er zu einem Arbeitsmarktgipfel mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit und aus kommunalen Spitzenverbänden. In einer Erklärung bekräftigen sie, das Vorhaben der Bundesregierung zu unterstützen und Geflüchtete „passgenau und nachhaltig“ in Arbeit zu bringen.

Integration durch Arbeit

Der Grund ist naheliegend: Deutschland braucht Fachkräfte, gleichzeitig verlassen in diesem Jahr rund 200.000 Geflüchtete aus der Ukraine und weitere 200.000 Geflüchtete anderer Staaten Sprach- und Integrationskurse. Ein Potenzial von 400.000 Menschen „für unseren Arbeitsmarkt“, erklärt Heil. Je schneller sie jetzt in Arbeit integriert würden, desto besser klappe die Integration, da sind sich die Teilnehmenden einig.

Zuvor hatte sich der SPD-Politiker in einem ICE-Betriebswerk der Deutschen Bahn (DB) im Berliner Stadtteil Rummelsburg mit drei ukrainischen Mitarbeiterinnen getroffen. Alle drei hatten kurz nach Kriegsausbruch ihre Heimat verlassen und über das Internet erfahren, dass die Deutsche Bahn Ukrainer*innen einstellt und Hilfestellung leistet. Tetiana Kononenko und Natalya Kryshen sind dort nach Orientierungs- und Sprachkursen, teils vom Jobcenter oder auch von der DB finanziert, als Elektromechanikerinnen angestellt. Anastasiia Pupchenko absolvierte nach ihrem ersten von der DB finanzierten Sprachkurs eine Ausbildung an Bord der Züge als Stewardess. Im Dezember wird sie die Ausbildung als Inkassoverantwortliche machen, mit der sie sich als Restaurantleiterin weiterentwickeln kann.

Schulterschluss mit der Wirtschaft

Für Arbeitsminister Hubertus Heil sind dies Beispiele, die deutlich machen, was für eine erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt notwendig ist. Es gehe eben nicht nur um Versorgung und Schutz, sondern „um echtes Ankommen und eine Perspektive echter Integration“, sagt er. „Wer in Deutschland arbeitet, wird Teil der Gesellschaft.“

Er sei froh, dass ein Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft, Kommunen und Sozialpartnern gelungen sei, betont er nach dem Arbeitsmarktgipfel. Gemeinsam habe man sich vorgenommen, diese „große Integrationsaufgabe zu schultern“. Mit ausreichend finanziellen Mitteln sollen Jobcenter nun dafür sorgen, nicht nur Fähigkeiten und Qualifikationen zu ermitteln und Möglichkeiten für den Spracherwerb bereitzustellen, sondern auch berufsbegleitend Qualifizierung zu ermöglichen.

Geflüchteten aus der Ukraine und aus anderen Ländern sollen möglichst passgenaue Angebote unterbreitet werden, so Heil. Dazu sei die Unterstützung deutscher Unternehmen notwendig. Heil wirbt dafür, Geflüchtete auch dann einzustellen, wenn sie noch nicht perfekt deutsch sprechen. „Die deutsche Sprache lernt man nicht nur in Kursen, sondern auch in der Arbeit.“

Geflüchteten eine Perspektive geben

Zwei Dinge sind dem Arbeitsminister an diesem Montag besonders wichtig: Zu erklären, dass die Menschen nicht der Sozialleistungen wegen nach Deutschland gekommen seien, sondern vor Putins Angriffskrieg geflohen sind. Das sage er auch denjenigen, die an dieser Stelle versuchten, das gesellschaftliche Klima zu vergiften, macht er deutlich. Und mit Blick auf die Debatte um Kosten und Einsparungen erklärt er: „Die beste Einsparung im sozialen Bereich ist es, Menschen in Arbeit zu bringen.“ Soziale Transferleistungen würden so eingespart, gleichzeitig bringe Arbeit das Land voran.

Um bei der Integration in Arbeit noch besser zu werden, will Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit und Sonderbeauftragter für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, vor allem in die Niederlande, Dänemark und Norwegen schauen, „um zu lernen“. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass „Menschen mit Fluchtgeschichte hier bleiben, ist verhältnismäßig groß“. Sie wachse mit der Dauer der Kriegsjahre. Über 50 Prozent der Ukrainer*innen könnten sich vorstellen, mittel- und langfristig in Deutschland zu bleiben. Das gelte auch für alle Geflüchteten und Verfolgten, die aus anderen Ländern „zu uns kommen“. Umso wichtiger sei es, einen berufsbezogenen Spracherwerb und in Qualifikationen zu organisieren. „Die Menschen sollen nach schneller Arbeitsaufnahme nachhaltig dem nachgehen können, was sie gelernt haben.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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