Investieren statt sparen: Bertelsmann-Studie bestätigt Bildungskonzept der SPD
„Was wir brauchen, ist eine Bildungsoffensive wie in den 70er Jahren“, sagt Jan-Christopher Rämer. Der Bildungsstadtrat in Berlin-Neukölln kennt die Probleme an den Schulen seines Bezirkes genau. Viel zu lange sei die Sanierung durch das Bundesland auf Verschleiß gefahren, kritisiert er. Und obwohl sein Bezirk überdurchschnittlich viel Geld in die Schulen stecke, reiche es für dringend notwendige Modernisierungen, z.B. für die IT-Verkabelung, bei weitem nicht aus.
Und wenn sich der Bund beispielsweise bei der Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte Behinderter verpflichte, dass Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen sollen, müsste der Bund die Schulen auch finanziell unterstützen können, um dieses Ziel zu erreichen, fordert Rämer. Doch noch immer verbietet das im Grundgesetz festgeschriebene Kooperationsverbot in der Bildung, dass der Bund in Schulen investieren kann.
Neue Plätze an Ganztagsschulen
Zwar ist es der SPD mit dem neuen Bildungsartikel 104c GG gelungen, dieses Kooperationsverbot aufzubrechen – mit 3,5 Milliarden Euro wird der Bund ab dem 1. Juli Schulen in finanzschwachen Kommunen fördern können – aber die SPD will noch mehr in Bildung investieren. Denn „bessere Bildungschancen sind gut für die Lebensperspektiven junger Menschen, für die Fachkräftebasis der Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft“, sagt Bildungsexperte und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil.
Und für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz steht fest: „Deutschland muss das weltweit stärkste Land in der Bildung werden.“ Um zügig eine bessere Bildung zu erreichen, fordert der Parteichef eine nationale Bildungsallianz und eine Berufsschulinitiative. Konkret will Schulz eine Million neue Plätze an Ganztagsschulen schaffen, ein Schulmodernisierungs-Programm auflegen, mehr Schulsozialarbeit vor allem in sozialen Brennpunkten finanzieren und die Ausbildung und Bezahlung von Lehrkräften und Erziehern verbessern.Voraussetzung für diesen ambitionierten Plan: die vollständige Abschaffung des Kooperationverbotes, denn „der Bildungsföderalismus in seiner radikalen Form hat sich überholt“, ist Schulz überzeugt.
Herkunft darf kein Schicksal sein
Viel ist zu tun: Schon der erste Blick in Schulen und Berufsschulen zeigt einen großen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Aber auch schulpolitische Herausforderungen wie Inklusion, Integration und digitale Bildung müssen bewältigt werden. Dass Deutschland es als eines der reichsten Länder der Welt schlechter schafft, Bildungsgerechtigkeit herzustellen als ärmere Staaten, wird seit Jahren in vielen Studien angeprangert. Während die Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Durchschnitt 5,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Bildung ausgeben, sind es in Deutschland gerade einmal 4,3 Prozent. „Herkunft darf kein Schicksal sein“, kritisiert Martin Schulz und bekräftigt seine Forderung, die Bildung in Deutschland von der Kita bis zur Hochschule und zum Meisterabschluss kostenfrei zu machen.
Doch nicht nur die Schulbildung will der SPD-Chef reformieren. Die Welt beneide Deutschland um das duale Berufsausbildungssystem, sagt er und will die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung garantieren. Das sei eine „Frage der Gerechtigkeit“.
Für Schulz ist klar, dass in Zeiten des digitalen Wandels auch die berufliche Bildung weiter vorangetrieben werden muss. Deswegen stellte er gemeinsam mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles schon im März das Konzept Arbeitslosengeld-(ALG)-Q vor, das Leistungen für diejenigen einführe, die sich während der Arbeitssuche weiterbilden und vor allem Geringqualifizierte im Blick hat. Jüngste Überlegungen sind eine mögliche Förderung von Weiterbildungen „on the job“ in Bildungsteilzeit oder ein Erwerbstätigenkonto mit einem Startguthaben für jeden Berufseinsteiger, das auch zur Finanzierung von Weiterbildung genutzt werden kann. Die Richtung ist klar: eine präventive Arbeitsmarktpolitik, an deren Ende das Recht auf Weiterbildung stehen soll.
Mehr Zeit für Bildung
Dabei möchte Martin Schulz Bildung nicht reduzieren auf die Verwertbarkeit im Beruf. Vielmehr müsse Bildung die Persönlichkeitsentwicklung fördern und Wissen und Fähigkeiten vermitteln, die langfristig wirken. Dem Druck durch G8 und Light-Studiengänge möchte er deshalb mehr Zeit entgegensetzen. „Dass wir uns haben einreden lassen, junge Menschen müssten, um erfolgreich zu sein, früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, war fatal.“ Seine Alternative lautet: längeres gemeinsames Lernen und Ganztagsschulen, mehr Phasen der Orientierung und des Ausprobierens in Ausbildung und Studium.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.