Interview mit Franziska Giffey: Was Berlins neue Bürgermeisterin plant
Florian Gaertner/photothek.de
Sie sind als erste Frau Regierende Bürgermeisterin im wiedervereinigten Berlin. Wie fühlt sich das an?
Das ist eine große Ehre und eine große Aufgabe, die ich mit ganzem Herzen und viel Zuversicht angehen werde. Ich möchte die Regierende Bürgermeisterin aller Berlinerinnen und Berliner sein. Und im Jahr 2021 nach 800 Jahren Stadtgeschichte ist es auch an der Zeit, dass zum ersten Mal eine Frau als gewählte Regierende Bürgermeisterin das höchste Regierungsamt in Berlin übernimmt.
Sie verfolgen für die kommenden fünf Jahre ehrgeizige Pläne. Gleichzeitig sind vor der Wahl des Abgeordnetenhauses bis zu Ihrer Vereidigung fast drei Monate vergangen. Waren Sie zwischendurch mal ungeduldig?
Wir haben zunächst Sondierungsgespräche mit allen gewählten demokratischen Parteien geführt. Danach haben wir in sehr intensiven, fünfwöchigen Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken die für unsere Stadt wesentlichen Themen gründlich besprochen und ausgehandelt. Unser Ziel war und ist ein tragfähiges Bündnis.
Uns ist es in den Koalitionsverhandlungen gelungen, alle Kernanliegen der SPD durchzusetzen. Wir sind im Wahlkampf mit den 5 B’s für Berlin angetreten: Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernahe Verwaltung und Berlin in Sicherheit. Jetzt im neuen Senat haben wir als SPD die Ressorts erhalten, um unsere Vorhaben in diesen Schwerpunktbereichen auch umsetzen zu können.
Auch künftig regiert die SPD in Berlin in einem Bündnis mit Grünen und Linken. Trotzdem war in den vergangenen Wochen häufig von einem Neuanfang die Rede. Was ist neu, außer dass Sie als Regierende Bürgermeisterin das Bündnis anführen?
Die Stadt hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Berlin ist Bundeshauptstadt, die größte Metropole in Deutschland und gehört zu den attraktivsten Städten in Europa und der Welt. Daran haben die SPD-geführten Landesregierungen unter meinen Vorgängern Klaus Wowereit und Michael Müller einen großen Anteil.
Unsere Stadt steht heute vor großen Herausforderungen und diese wollen wir als Koalition gemeinsam anpacken: Mehr bezahlbare Wohnungen, eine klimaneutrale Stadt, eine starke Wirtschaft mit guter Arbeit, eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur, eine vielfältige Gesellschaft, ein gutes und leistungsfähiges Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen, eine digitale und funktionierende Verwaltung und eine sichere Stadt. Mit dem neuen Senat haben wir ein sehr gutes Team, um die anstehenden Aufgaben zu meistern.
Welches ist das wichtigste Vorhaben, das sie in den ersten 100 Tagen Ihrer Amtszeit angehen werden?
Wir werden unverzüglich das Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten gründen. Ich werde zusammen mit der zuständigen Senatsverwaltung eine koordinierende Rolle übernehmen. Dieses Bündnis hat ganz klar Priorität. Deshalb wird die Senatskanzlei dazu einladen.
Außerdem haben wir die Aufstellung des Doppelhaushalts am Beginn des Jahres. Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, den Haushaltsrahmen von 32 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 33 Milliarden im nächsten Jahr und 34 Milliarden im Jahr 2023 zu erhöhen. So wollen wir aus der Pandemie heraus Wachstum ermöglichen. Auch das Zukunftsprogramm Neustart Berlin werden wir in den ersten 100 Tagen angehen, um die Messe-, Kongress- und Veranstaltungsbranche, Tourismus, Gastronomie und Hotellerie und die Kultur mit Förderprogrammen bei der Bewältigung der Corona-Folgen zu unterstützen.
Wo drohen Konfliktpunkte innerhalb der Koalition?
Uns ist bewusst, dass es in Bezug auf die Enteignung großer Wohnungsunternehmen unterschiedliche Positionen der drei Koalitionspartner gibt. Ich habe immer gesagt, dass wir mit dem Volksentscheid verantwortungsvoll umgehen werden. In den Koalitionsverhandlungen ist es uns gelungen, dazu einen guten Prozess vereinbaren. Wir werden in den ersten 100 Tagen eine Expertenkommission einsetzen, die Verfassungskonformität, Voraussetzungen und Möglichkeiten der Umsetzung des Volksentscheids prüfen soll.
Nach einem Jahr wird die Kommission dann dem Senat eine Empfehlung vorlegen. Auf dieser Basis wird der Senat entscheiden.
Bundesweit gesehen sind Sie nach Malu Dreyer und Manuela Schwesig die dritte aktuell amtierende sozialdemokratische Länderchefin, mit Anke Rehlinger im Saarland könnte bald die vierte folgen. Was bedeutet das für die Partei?
Die SPD hat viele starke Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Ich freue mich darauf, als Regierende Bürgermeisterin Berlins zukünftig eng mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Mit Malu Dreyer und Manuela Schwesig stellt die SPD erfahrene und sehr beliebte Ministerpräsidentinnen, die ich persönlich sehr schätze. Aber mit insgesamt drei Ministerpräsidentinnen bei 16 Bundesländern ist da noch Luft nach oben. Deshalb drücken wir alle Anke Rehlinger die Daumen und werden die Saar-SPD natürlich bei ihrem Wahlkampf unterstützen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo