Internet wird Zeitungen nicht komplett verdrängen
„Europa in den Medien oder Medien in Europa“ war der Auftakttitel zu einer ganzen Reihe, die sich mit der aktuellen Situation der Medien und ihren Perspektiven beschäftigen wird. Sind die Zeitungen in der Krise?, war denn auch die Eingangsfrage des Moderators Kay Walter, der TV-Journalist ist. Doch von einer „Krise im Sinne von existenzieller Bedrohung“ wollte keiner der Diskutanten sprechen. „Medienwandel“ war das Zauberwort. „Es gibt eine relevante Umgestaltung der Arbeitsbedingungen, aber die Print-Branche ist nach wie vor hoch profitabel, und sie finanziert die digitalen Medien – nicht umgekehrt“, stellte Moritz Müller-Wirth von der „Zeit“ klar.
Medienwandel statt Medienkrise
Dieser Einschätzung stimmte auch Alexandra Föderl-Schmid zu. Das Internet werde den Zeitungsjournalismus nicht komplett verdrängen, es werde ihn jedoch „radikal verändern“, so die Chefredakteurin des österreichischen Tageszeitung „Standard“. Der „Standard“ war das erste deutschsprachige Medium, das mit derStandard.at einen Webauftritt errichtet, der sich zunächst sogar selbst finanzierte. Doch mittlerweile ist es auch für den „Standard“ „schwierig, mit Online Geld zu verdienen“, so seine Chefredakteurin. Damit geht es den Österreichern wie allen anderen Medienhäusern auch. „Es gibt noch kein Geschäftsmodell für online“, so Müller-Wirth.
In der Runde, in der auch Philip Oltermann vom „Guardian“ und Pascal Thibaut von „Radio France International“ (RFI) zugegen waren, wurde schnell klar: Eine Patentlösung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von Print- und Onlinemedien hat bisher niemand. Wie genau die Medien sich künftig entwickeln werden, wie die Nutzer reagieren werden, davon hat noch niemand eine klare und Erfolg versprechende Vorstellung. Es gebe in diesen Frage „noch keine Wahrheit“, betonte denn auch Müller-Wirth. Doch „die Kommerzialisierung der Schnelllebigkeit“ sei „unabdingbar“. Selbst wenn die Abo-Zahlen für die Print-Ausgaben wachsen wie bei „Zeit“ und „Standard“, und das sogar bei jungen Lesern.
Verschiedene Medien aufeinander abstimmen
Grundsätzlich, da waren sich die Medienvertreter einig, gibt es Platz für beides, wenn man die sich ändernden Lesegewohnheiten berücksichtig. Man müsse Print und Online zusammen denken und nicht alles auf Online fokussieren, sagte Föderl-Schmid, und Oltermann stimme ihr zu: „Es gibt gewisse lange Formate von mehr als 3.000 Wörtern, die will man nicht im Netz lesen.“ Eine Redaktion müsse immer wieder prüfen, auf welchem Kanal was funktioniere und die Produkte stärker aufeinander abstimmen, forderte Föderl-Schmid. Der „Standard“ publiziere neben der regulären Zeitung und dem Online-Dienst noch „eine halbe Zeitung mit halbem Inhalt und halbem Preis“.
Europäische Öffentlichkeit schaffen
Thibaut verwies darauf, dass der mediale Strukturwandel und die Beschleunigung durch die Online-Medien auch die Arbeitsweise der Journalisten noch einmal verändert habe: „Das verlangt deutlich mehr Professionalität von Journalisten, um grobe Fehler zu vermeiden.“ Insgesamt, so das Fazit des Abends, müsse noch viel „experimentiert“ werden für eine neu strukturierte, rentable Medienlandschaft im digitalen Zeitalter. Und dazu zähle auch, eine europäische Öffentlichkeit über nationale Medien-Grenzen hinaus zu schaffen.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.