Inland

Integration stärken

von Ursula Engelen-Kefer · 21. Mai 2012

Ursula Engelen-Kefer sieht die wesentlichen Ursachen der Eurokrise in den Konstruktionsfehlern der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion. Daneben habe auch das deutsche Exportmodell zur Überschuldung der südeuropäischen Länder beigetragen.

Die Finanzkrisen in der EU bestätigen die These von der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste.  Daniel Gros, Direktor  des Brüsseler Center for Policy Studies und Thomas Meyer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank  stellen in ihrem Beitrag zum Policy Brief vom Mai 2010 fest: „Es ist heute ein Schlüsselthema für die EU: In der Krise werden private Schulden zu öffentlichen Schulden.“ 

Dabei wird immer klarer:  Die Finanz- und Wirtschaftskrisen in der EU sind ein wirksamer Hebel für die neoliberalen Kräfte und insbesondere die Finanzwirtschaft, den Sozialstaat weiter abzubauen.

Diesen zentrifugalen Kräften muss endlich Einhalt geboten werden: Notwendig ist die Stärkung der Integration durch eine ausreichende politische und rechtliche Fundierung der Währungsunion und der EU insgesamt.  Dies ist bei weitem die bessere Alternative zu einem Austritt von Griechenland aus dem Euro mit nicht kalkulierbaren finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist: Die Politik auf nationaler und europäischer Ebene muss endlich aufhören, die Bürger Europas und insbesondere der Bundesrepublik in unabsehbare finanzielle Haft für die Finanzbranche zu nehmen.

Schwerwiegende Konstruktionsfehler der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion

Wesentliche Ursachen der größten Krisen des Euro und der EU insgesamt liegen in den Konstruktionsfehlern der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion, insbesondere der fehlenden Governance in der Eurozone. Sowohl die Römischen Verträge von 1957 als auch der Lissabon Vertrag, der 2009 nach zehnjähriger Schwerstgeburt in Kraft getreten ist, bieten die Grundlage für eine unübersehbare Fülle an Regeln für den Binnenmarkt, aber  wenig wirksame Instrumente für eine wirksame Koordinierung von Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Der  2001 in Kraft getretenen  Währungsunion für 17 Euro Länder  fehlt  somit eine tragfähige wirtschaftliche und  finanzpolitische Fundierung. Der Stabilitätspakt mit seinem Regelwerk für Nettoneuverschuldung, Gesamtverschuldung und Inflation entbehrt des politischen Willens und somit auch ausreichender Instrumente zur praktischen Umsetzung und Überwachung. Dies wird immer deutlicher, je mehr  Einzelheiten über Unkorrektheiten bis zu Täuschungen bei den statistischen  Angaben über die tatsächliche öffentliche Verschuldung  bekannt werden – insbesondere aus Griechenland, aber auch aus Italien bereits bei der Einführung des Euro.  

Die Kehrseite des Deutschen Exportmodells

Die immer stärker auseinanderklaffenden Wettbewerbs-Kosten- und Leistungsbilanzstrukturen zwischen den Mitgliedsländern des Euro wurden sowohl von den  Regierungen, den Wirtschaftsverbänden wie auch den Europäischen Institutionen jahrelang in den Hintergrund gedrängt.

Zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kam es erst in Verlauf der Finanzkrisen, als  die ehemalige Finanzministerin Frankreichs und jetzige Chefin  des Internationalen Währungsfonds,  Christine Lagarde,  die  Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftsungleichgewichte in der Währungsunion durch das Exportmodell der Bundesrepublik Deutschland thematisierte.

Inzwischen werden die hierdurch hervorgerufenen finanz- und wirtschaftspolitischen Ungleichgewichte in der Öffentlichkeit breiter aufgegriffen. Besonders eindrucksvoll ist die  Untersuchung von Heike Joebges und Camille Logesy von der  Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Im Mittelpunkt steht der enge Zusammenhang zwischen dem erheblichen Anstieg der Leistungsbilanzüberschüsse für die Bundesrepublik einerseits und andererseits der Nettoneuverschuldung von Griechenland, Portugal und Spanien nach Einführung des Euros.

Defizite schwächerer Partner als Grundlage des Exportmodells

Die Ursache sehen sie im unterdurchschnittlich niedrigen Wachstum der Lohnstückkosten. Während diese in den südeuropäischen Ländern zwischen Einführung des Euro bis zum Beginn der Finanzkrisen 2007 von 17 auf bis zu 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen sind, haben sie in der Bundesrepublik in dieser Zeitspanne stagniert.

Die Folgen sind eine im EU Vergleich besonders schwache Binnenkonjunktur bei  eingeschränkter Kaufkraft und relativ hohe Realzinsen in der Bundesrepublik. Umgekehrt stiegen in den europäischen Krisenländern Preise sowie Importe und damit die Leistungsbilanzdefizite, die zu dem Anstieg der Verschuldung maßgeblich beigetragen haben.  Gleichzeitig unterblieb in diesen Ländern die dringend erforderliche Entwicklung der eigenen Wirtschaftsstrukturen.

Die beiden Wissenschaftlerinnen Joebges und Logesy  kommen daher zu dem Schluss: „...Ein Teil des exportgetriebenen deutschen Wirtschaftsmodells mit seinen hohen Leistungsbilanzüberschüssen wäre ohne die Defizite schwächerer Partner in der Währungsunion nicht möglich gewesen.“

Autor*in
Ursula Engelen-Kefer

Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare