Inland

Inklusives Wahlrecht tritt zur Bundestagswahl in Kraft

Menschen mit Behinderungen, welche eine*n Betreuer*in benötigen, dürfen im September auch wählen. Endlich, denn bisher waren sie davon ausgeschlossen. Die Änderung betrifft rund 85.000 Menschen in der Bundesrepublik. Sehr zur Freude von Jürgen Dusel.
von Paul List · 26. August 2021
Menschen mit Behinderungen welche eine*n Betreuer*in benötigen dürfen Wählen
Menschen mit Behinderungen welche eine*n Betreuer*in benötigen dürfen Wählen

„Demokratie braucht Inklusion“. Das ist das Motto, welches sich Jürgen Dusel für die laufende Legislaturperiode gesetzt hatte. Er ist Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Gerade die Teilhabe an der Demokratie von Menschen in ihrer Vielfalt sei etwas Urdemokratisches. „Zentral für unsere Demokratie ist, dass man wählen kann und gewählt werden kann“, sagt Dusel. Deshalb sei er sehr zufrieden darüber, dass rund 85.000 Menschen, welchen das Wahlrecht gesetzlich bisher nicht zustand, nun bei der kommenden Bundestagswahl ihre Stimme abgeben dürfen.

Das inklusive Wahlrecht tritt erst zu der diesjährigen Bundestagswahl ein, nachdem das Bundesverfassungsgericht einer Klage im Jahr 2019 recht gegeben hatte. Leider sei immer noch verbreitet, dass Menschen mit Behinderungen, die unter Betreuung stehen, politisch keine Meinung und kein Urteilsvermögen hätten. Dieses Denken sei ein Grund dafür gewesen, dass das inklusive Wahlrecht erst zu dieser Wahl in Kraft trete. „Das ist natürlich totaler Unfug“, empört sich Dusel. „Es sind beispielsweise Menschen, die sich im Werkstattrat engagieren und die ganz genau wissen, wen sie politisch unterstützen und wen nicht.“

Überfällige Entscheidung für viele Menschen

„Ich habe viele Menschen kennengelernt, die sich sehr freuen, nun endlich bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgeben zu können“, sagt Jürgen Dusel. Für viele sei die Entscheidung überfällig gewesen, das inklusive Wahlrecht einzuführen. Ein etwa 60 Jahre alter Mann habe ihm unlängst erzählt: „Ich konnte mein ganzes Leben nicht wählen und ich werde jetzt mein Recht wahrnehmen und wählen gehen“.

„Das Thema Barrierefreiheit ist komplex und viel mehr, als nur eine Rampe vor ein Gebäude zu stellen,“ betont Dusel. „Es geht auch darum, dass Menschen mit Behinderung beispielsweise Informationen in zugänglicher Form erhalten.“ Er findet es gut, dass viele Parteien ihre Wahlprogramme auch in Leichter Sprache herausgegeben haben. Andererseits ist die Bundesrepublik Deutschland auch verpflichtet, Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am politischen Leben zu ermöglichen. 

Diese Teilhabe für Menschen mit Behinderungen sei aber noch immer schwer, sagt Dusel. Notwendige Assistenz werde leider noch immer nicht bezahlt. . Zwar gebe es für Menschen mit Behinderungen einen Anspruch auf Assistenz, allerdings für ehrenamtliche Aktivitäten nur eingeschränkt. . „Menschen mit Behinderungen müssen präsenter in den Parlamenten sein, nicht nur als Expert*innen für Behindertenpolitik, sondern für alle Politikfelder“, fordert Dusel.

Geldautomat: Wenn moderne Technik Menschen ausgrenzt

Der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen fordert auch, dass Barrieren im privaten Bereich abgebaut werden. In Behörden und weiteren öffentlichen Einrichtungen würde Deutschland nicht schlecht da stehen. Doch zum Beispiel Geld an einem Automaten abzuheben, sei für Sehbehinderte oder Blinde nahezu unmöglich. Es gebe keine klaren Normen für die Bedienung, erklärt Jürgen Dusel. Mal könne man den Geldautomat oftmals nur per Touchscreen steuern, mal nur durch unmarkierte Tasten. Bei dem einen Automaten werde die Pin (Persönliche Identifikations-Nummer) zuerst gefordert, beim anderen zuerst der auszuzahlende Betrag. Dusel sagt: „Barrierefreiheit ist ein Qualitätsmerkmal eines modernen Landes“. 

Das siehts auch Angelika Glöckner so. Die SPD Fraktion habe sehr dafür gekämpft, dass die Regelung eines inklusiven Wahlrechts in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Genauso habe die Fraktion auch für eine  Neuregelung gekämpft, sagt die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen in der SPD-Bundestagsfraktion. „Nach zähem Ringen mit CDU/CSU haben wir diese Einschränkung abgeschafft“, so Glöckner.

Es sei jedoch noch ein weiter Weg, um eine vollständige Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu erreichen, so Glöckner weiter: „Es ist ein wichtiger Schritt dem weitere folgen müssen. Kein Mensch darf wegen einer Beeinträchtigung benachteiligt werden.“

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