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Inflation: Warum eine Preis-Lohn-Spirale unwahrscheinlich ist

Treiben höhere Löhne die Inflation an? Die Ökonom*innen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung sehen dafür keine Anzeichen, plädieren jedoch für weitere Entlastungen.
von Kai Doering · 5. Juli 2022
Kein Grund für Lohnzurückhaltung: Die Forscher*innen des IMK sehen keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.
Kein Grund für Lohnzurückhaltung: Die Forscher*innen des IMK sehen keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.

Es ist die große Sorge einiger Ökonom*innen. Heizen steigenden Löhne die grassierende Inflation weiter an? Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) etwa warnt vor der sogenannten Preis-Lohn-Spirale. „Das Risiko dafür steigt, sobald die Lohnstückkosten spürbar und in der Breite steigen – was mit deutlichen Lohnerhöhungen der Fall wäre“, sagte der Direktor des IW, Michael Hüther, jüngst dem Nachrichtenportal t-online.

Lediglich eine Korrektur der schwachen Vorjahre

Ganz anders sehen das die Wirtschaftswissenschaftler*innen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Die von manchen beschworene Preis-Lohn-Spirale ist bislang kein Thema“, erklärt der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien.

Die Forscher*innen des IMK haben die Entwicklung der sogenannten Arbeitskosten, also der Kosten, die für den Einsatz der Mitarbeiter*innen in einem Betrieb anfallen, im vergangenen Jahr untersucht. Im Jahresdurchschnitt stiegen sie demnach um 1,2 Prozent – trotz der in der zweiten Jahreshälfte bereits steigenden Inflation. „Die tiefe Krise hat in den Daten kaum Spuren hinterlassen“, bilanziert IMK-Direktor Dullien. „Selbst wenn wir im Jahr 2022 mit dem Lohnkostenanstieg im Durchschnitt aller Branchen etwas über drei Prozent lägen, wäre das noch keine echte Preis-Lohn-Spirale, sondern lediglich eine Korrektur der schwachen Vorjahre.“

Weitere Entlastungen können Druck reduzieren

Die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands während der Corona-Krise bewerten die Ökonom*innen insgesamt sehr positiv. Der Euroraum „und insbesondere Deutschland“ hätten „nichts an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt“. Von Seiten der Lohnentwicklung drohe daher keine Gefahr für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Vor dem Hintergrund der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine gelte es nun, stärker auf den europäischen Binnenmarkt zu setzen. „Eine Lohnentwicklung, die sicherstellt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am gesellschaftlichen Wohlstandsfortschritt auch in diesen Zeiten des Wandels ausreichend partizipieren, ist hierfür unerlässlich“, meinen die IMK-Ökonom*innen.

Neben höheren Lohnabschlüssen plädieren sie daher auch für weitere direkte Entlastungszahlungen des Staates an Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen. „Das nimmt dann auch Druck aus den Tarifverhandlungen und reduziert das Risiko, dass doch noch Preis-Lohn-Spiralen in Gang kommen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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