Immer weniger Beschäftigte arbeiten nach Tarifvertrag
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Der Trend zeigt seit Jahren in dieselbe Richtung. Galt 1998 noch für 76 Prozent der Beschäftigten in West-Deutschland ein Tarifvertrag, waren es im vergangenen Jahr gerade noch 43 Prozent. In Ostdeutschland arbeiteten 2020 sogar nur 32 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb in dem ein Branchentarifvertrag galt. „Der rückläufige Trend in der Branchentarifbindung setzt sich damit fort“, sagt Susanne Kohaut, Forscherin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB erstellt einmal im Jahr ein sogenanntes Betriebspanel, für das es rund 16.000 Betriebe befragt.
Hohe Tarifbindung in der Verwaltung, geringe im Bereich Kommunikation
47 Prozent der westdeutschen und 57 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten arbeiteten demnach 2020 in Betrieben, in denen es keinen Tarifvertrag gab. Die Verbreitung von Firmen- oder Haustarifverträgen blieb dagegen im Vergleich zum Vorjahr weitgehend konstant: Für acht Prozent der westdeutschen und für elf Prozent der ostdeutschen Beschäftigten galt solch ein Tarifvertrag.
Laut IAB-Betriebspanel ist die Tarifbindung mit 80 Prozent im Bereich der Öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung besonders hoch, im Bereich Information und Kommunikation mit elf Prozent dagegen besonders gering.
SPD fordert im Wahlprogramm ein Tariftreuegesetz
Ein Zustand, den die SPD ändern möchte. „Wir wollen, dass möglichst viele Unternehmen sich an den Tarifverträgen beteiligen“, schreiben die Sozialdemokrat*innen in ihrem Programm für die Bundestagswahl, dem „Zukunftsprogramm“. Um das zu erreichen, sollen öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen. Die SPD will dafür ein Tariftreuegesetz erwirken. Wo kein Tarifvertag besteht, soll für öffentliche Aufträge ein bundesweit geltender Vergabemindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Medianlohns eingeführt werden.
Ein weiteres Ergebnis des IAB-Betriebspanels: Nur 36 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland wurden im vergangenen Jahr durch einen Betriebsrat vertreten, in Westdeutschland traf dies auf 40 Prozent zu. Auch das soll sich nach dem Willen der SPD ändern: Am Freitag soll deshalb im Bundestag das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen werden. „Das gibt Sicherheit und stärkt Arbeitnehmer*innen, die sich für ihre Kolleg*innen einsetzen wollen“, ist SPD-Arbeitsmarktpolitikerin Kerstin Tack überzeugt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.