Inland

Im Bundestag: Wie Olaf Scholz Merkels Attacke mit Humor kontert

In der letzten Debatte des Bundestages vor der Wahl versucht die Union verzweifelt die SPD und Olaf Scholz zu attackieren. Das gelingt nicht einmal Angela Merkel. Scholz lässt die aufgeregte Union abperlen: souverän und mit einem großen Lacher.
von Lars Haferkamp · 7. September 2021
Letztes Aufeinandertreffen vor der Wahl: Olaf Scholz und Angela Merkel am 7. September 2021 im Bundestag.
Letztes Aufeinandertreffen vor der Wahl: Olaf Scholz und Angela Merkel am 7. September 2021 im Bundestag.

Als der Bundestag an diesem Dienstag zusammenkommt, ist von Anfang klar: Es geht um die Bundestagswahl. Auf der Tagesordnung steht zwar eine Debatte „zur Situation in Deutschland“, aber jede und jeder weiß: Auf der Agenda steht heute vor allem die Wahl am 26. September, die in nur 19 Tagen ansteht. Die Abgeordneten kennen die Umfragen der letzten Wochen. Es liegt Wechselstimmung in der Luft. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz liegen in den Umfragen vorne, die Union und Armin Laschet deutlich dahinter.

Es ist daher keine große Überraschung, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Rede, mit der sie die Debatte eröffnet, versucht, ihrer strauchelnden Partei zu helfen. Dabei zeigt sich einmal mehr, wie wenig die Union mit Inhalten argumentiert. Denn statt mit konkreter Politik zu überzeugen, versucht die Kanzlerin einen Seitenhieb auf den SPD-Kanzlerkandidaten. Der ruft in seinen Wahlkampfreden regelmäßig die Impfskeptiker*innen dazu auf, sich impfen zu lassen. Und er tut es mit Humor. Die mehr als 50 Millionen Geimpften seien ja „gerne die Versuchskaninchen“ für die Impfskeptiker*innen gewesen. Diese könnten nun sehen, alles sei gut gegangen, aber jetzt sollten sie sich doch bitte auch impfen lassen. Regelmäßig erntet Scholz dafür Lacher und Beifall. Jeder und jede im Publikum weiß, was er meint.

Die Union will Scholz missverstehen

Nur CDU und CSU wissen es nicht – beziehungsweise sie tun so, als wüssten sie es nicht und verstehen Scholz ganz bewusst miss, um sich anschließend zu empören. Scholz müsse das „ganz schlimme Wort“ von den Versuchskaninchen umgehend zurücknehmen, ereifert sich Armin Laschet. Und auch Angela Merkel fällt im Bundestag nichts Besseres ein, als diese Platte aus dem Konrad-Adenauer-Haus noch einmal abzuspielen, als sie davon spricht, niemand im Lande sei ein Versuchskaninchen. Das ist alles, was die amtierende Kanzlerin an Kritik an ihrem potentiellen Amtsnachfolger im Bundestag äußert.

Und der reagiert in seiner Rede. Er fordert erneut, „dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich impfen lassen“. Hier gelte es noch mehr Überzeugungsarbeit zu leisten. Und dann antwortet er der Union: Man überzeuge mit Argumenten und mit der eigenen Impfung, aber eben auch mal „locker, gelassen, auch mit Witzen, über die auf vielen Veranstaltungen gelacht wird. Wenn einige nicht lachen wollen und darüber sich aufregen, hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass sie beim Blick auf ihre Umfragewerte wenig zu lachen haben.“ Johlen, Lachen und Applaus aus den Reihen der SPD-Fraktion erfüllen den Bundestag. Für die Genoss*innen scheint es genau die richtige Antwort von Olaf Scholz auf die Vorhaltungen der Union zu sein.

Scholz dankt Merkel für Zusammenarbeit

Es ist eine der Stellen, an der in der Sitzung die Nähe zum Wahltag deutlich zu spüren ist. Die ist auch daran zu merken, dass die Bundeskanzlerin und ihr möglicher Nachfolger Olaf Scholz schon vor Redebeginn mit kräftigem Applaus aus den Reihen ihrer Fraktionen unterstützt werden. Am Ende der Reden folgen dann für beide stehende Ovationen. Für Angela Merkel ist es ein Abschied, vom Regierungsamt und aus dem Bundestag, für Olaf Scholz Rückenwind für einen neuen Aufbruch.

Wie er als Kanzler diesen Aufbruch gestalten möchte, macht er in seiner Rede deutlich. Zunächst bedankt er sich aber – bei der Kanzlerin. „Einen schönen Dank für die Zusammenarbeit auch an Sie, Frau Bundeskanzlerin.“ Kräftiger Applaus und Lachen darüber, wie Scholz mit einer Art Umarmungstaktik auf die dem Wahlkampf geschuldete, aber doch sehr moderate Kritik Merkels an ihm reagiert.

SPD-Kanzlerkandidat: Die Bürger*innen entscheiden

Rückblickend auf die vegangenen Jahre betont Scholz, es sei „der Zusammenhalt“, der Deutschland durch die Krise gebracht habe. Das gelte für die Corona-Pandemie genauso wie für die Flutkatastrophe in Westdeutschland. Damit der Zusammenhalt gesichert bleibe, seien „drei Garantien“ nötig, die ihm „ganz ganz wichtig“ seien, betont Scholz. Es gehe erstens um einen nachhaltigen Einsatz gegen Kinderarmut durch die Weiterentwicklung von Kindergeld und Grundsicherung und den Ausbau der Kinderbetreuung sowie um eine Ausbildungsplatzgarantie für jeden ausbildungswilligen jungen Menschen. Zweitens kündigt Scholz unter seiner Regierung den Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr und ein Mietenmoratorium an, das den ungebremsten Anstieg der Mietkosten stoppen soll. Drittens verspricht er keinen weiteren Anstieg des Renteneintrittsalters und garantiert ein stabiles Rentenniveau. Das sei auch für junge Menschen sehr wichtig.

Jetzt sei „die Zeit der Bürgerinnen und Bürger“, betont Scholz. „Sie entscheiden am 26. September wie es weitergeht mit diesem Land.“ Sie entschieden dabei auch darüber, inwieweit die Gesellschaft von Respekt geprägt werde, ob es eine gute Zukunft für alle gebe und ein starkes und souveränes Europa. „Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt das Wort“, so der SPD-Kanzlerkandidat. „Ein Aufbruch ist möglich. Und ich hoffe und ich bin sicher, er wird gelingen.“

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