Der Konflikt scheint so alt wie die Menschheit: Die Jugend nervt, ist unengagiert und so ganz anders, als die Alten früher waren. Die wiederum wissen alles besser, dabei hatten sie es doch auch viel leichter. Oder? Ein nicht nur ernster Briefwechsel der Generationen
Die Alten: Ein Beitrag von Werner Loewe
"Liebe Junge, hört auf zu jammern und mischt euch ein!«Die 68er sind an allem schuld!“ Das war einmal. Jetzt wird die gesamte ältere Generation in Haftung genommen. Ein „Aufstand der Jungen“ stehe bevor, heißt es. „Nur zu!“ möchte man ermuntern. „Kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz, keine sichere Rente, ein geplünderter Planet“, lauten die Klagen. Der Befund mag zutreffend sein, das Feindbild ist arg allgemein: die Alten. So klagt eine junge Frau, sie gehe zwar noch zur Wahl, „aber gegen die ganzen Rentner komme ich doch sowieso nicht an“. – Das klingt nicht nach Aufstand, eher nach Larmoyanz und Resignation. Das ZDF erklärte gar die Jungen zu „Verlierern der Gesellschaft“, die „die immer schwerer wiegende Last, die ihnen der demografische Wandel aufgebürdet hat, nicht mehr schultern können“. Der demografische Wandel? Eine falsche Politik! Die Erosion der Sozialsysteme etwa ist weniger die Folge des demografischen Wandels als dieser falschen Politik: Wer den Niedriglohnsektor und die Leiharbeit wuchern lässt, nimmt leere Sozialkassen in Kauf. Und natürlich belastet die Rettung der Banken mit Steuermitteln die junge Generation, weil eine falsche Politik auf die Selbstregulierung der Finanzmärkte vertraute. Mit dem demografischen Wandel haben weder die Spekulationsblase noch der Bankenrettungsschirm das Geringste zu tun. Im Gegenteil: Die Zocker auf den Finanzmärkten waren keineswegs nur Greise, sondern smarte Finanzjongleure in den Zwanzigern und Dreißigern.
Eine gerechtere Einkommensverteilung, Sicherung der Sozialsysteme, bessere Bildung, Umweltschutz, Bekämpfung des Hungers in der Welt – es gibt noch viel zu tun. Da wäre ein Aufstand der Jungen notwendig. Denn es ist eure Welt, um die es dabei geht.
Kämpfen solltet ihr allerdings nicht in einem Generationenkrieg, sondern um eine andere Politik. Da braucht es Bündnispartner und Mitstreiter, zumal, wenn man schon zahlenmäßig im Hintertreffen ist. Diese Mitstreiter würden die Jungen vielfach bei den Alten finden. Denn auch die haben Kinder und Enkel. Konfliktfrei wird es dabei nicht abgehen – allerdings auch nicht in der jungen Generation selbst.
Willy Brandt – er wäre im nächsten Jahr hundert geworden – hat den Leitsatz geprägt: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.“ – Kämpfen, nicht lamentieren! Also, hört auf zu jammern und mischt euch ein!
Die Jungen: Ein Beitrag von Wolfgang Gründinger
Rentner und ihre politischen Funktionäre sprechen gern darüber, was die Gesellschaft ihnen schuldet. Selten wird darüber gesprochen, was die Alten uns schulden. Von einer wohlhabenden und zahlreichen Altengeneration können wir erwarten, dass sie mehr an uns Junge abgibt. Und zwar nicht nur an die eigenen Enkelkinder. Um das Land enkeltauglich zu machen, brauchen wir Jungen einen Bündnispartner: Liebe Alte, wir brauchen euch! Wir brauchen eure Macht. Denn ihr seid viele. Geht mit uns auf die Straße. Lernt bewussten Konsum. Geht wählen und abstimmen. Kreuzt nicht an, was ihr immer angekreuzt habt, sondern versetzt euch in die Lage eures Ur-Ur-Enkels und fragt euch, was aus dessen Sicht vermutlich am besten wäre. Wir brauchen eure offenen Ohren. Gesteht euch ein: Ihr habt keine Ahnung. Wissenstransfer ist keine Einbahnstraße mehr. Heute müssen auch die Eltern von den Kindern lernen. Lasst uns in Ruhe mit eurer Besserwisserei! Hört auf mit den leidigen Appellen, wir sollten endlich Kinder kriegen, mit eurem Gelaber über die angebliche Politikverdrossenheit der verwöhnten Jugend von heute. Und: Versucht erst gar nicht, uns weiszumachen, ihr würdet euch im Internet auskennen.
Wir brauchen eure Zeit. Denn ihr habt viel davon. Mit professionellen Dienstleistern allein werden wir weder für Kranke und Pflegebedürftige noch für die Kinder ein Rundum-Sorglos-Paket anbieten können. Wir brauchen zukünftig eine engagierte Bürgergesellschaft, in der die Menschen füreinander da sind. Doch ohne einen produktiven Unruhestand der Alten ist eine solche Bürgergesellschaft nicht vorstellbar.
Wir brauchen euer Geld. Klar: Nicht alle Alten leben wie die Made im Speck. Aber unter euch gibt es mehr wohlsituierte Vermögende als arme Witwen. Ihr seid die reichste Generation in unserem Land. Gebt einen Teil an die Gesellschaft zurück, als Zukunftssoli für Kinderbetreuung und Bildung. Denn: Wir sind jung und brauchen das Geld.
Als Deutschland jung war, wurde die soziale Sicherung für die Alten ausgebaut. Jetzt, da Deutschland alt wird, sind es die Kinder und Jugendlichen, die Unterstützung brauchen. Der vielbeschworene Generationenvertrag darf nicht in pharisäischen Sonntagsreden verkümmern. Die Alten sind viele, sie sind reich und haben das Sagen. Sie haben die Gesellschaft so gemacht, wie sie heute ist. Daher müssen sie Verantwortung übernehmen. Und die Welt ein bisschen besser hinterlassen.
ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.