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IG Metall-Chef Hofmann: „Wir brauchen Arbeitszeiten, die zum Leben passen.“

In der aktuellen Tarifrunde fordert die IG Metall nicht nur sechs Prozent mehr Geld, sondern auch die Möglichkeit für Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit vorübergehend zu verkürzen. Was sich die Gewerkschaft davon verspricht, sagt ihr Vorsitzender Jörg Hofmann im Interview.
von Kai Doering · 15. Dezember 2017
„Eigentum verpflichtet.“ Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sieht in der Tarifrunde die Arbeitgeber in der Pflicht.
„Eigentum verpflichtet.“ Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sieht in der Tarifrunde die Arbeitgeber in der Pflicht.

Neben sechs Prozent mehr Gehalt fordert die IG Metall in der aktuellen Tarifrunde, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit vorübergehend verkürzen können. Warum?

Die Arbeitszeiten sind in den vergangenen Jahren immer flexibler geworden, allerdings einseitig zugunsten der Unternehmen. Für die Beschäftigten sind die Arbeitszeiten heute überwiegend fremdbestimmt und immer weniger planbar. Sie wollen – das zeigte unsere Beschäftigtenbefragung mit mehr als 680.000 Teilnehmern – über ihre Arbeitszeit stärker selbst bestimmen und sie vorübergehend reduzieren können. Die IG Metall fordert, dass es darauf ­einen verbrieften Anspruch gibt – inklusive dem Recht, zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren.

Wer die Arbeitszeit verkürzt, um Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen, soll einen Zuschuss zum Entgelt erhalten. Dasselbe gilt für Schichtarbeiter. Wieso müssen diese Gruppen besonders gefördert werden?

Die Sorge für Kinder im Haushalt, die Pflege Familienangehöriger, Prävention statt Gesundheitsverschleiß im Schichtbetrieb – das sind wichtige gesellschaftliche Aufgaben. Ein Entgeltzuschuss macht eine Reduzierung der Arbeitszeit aus diesen Gründen erst für alle möglich. An dieser zeitgemäßen Sozialleistung müssen sich die Arbeit­geber beteiligen. Eigentum verpflichtet.

Im vergangenen Jahr haben die Deutschen 820 Millionen bezahlte Überstunden geleistet. Geht eine Arbeitszeitverkürzung da nicht an der Realität vorbei?

Im Gegenteil! Die Arbeitgeber lösen heute alle Probleme mit ihrem Arbeitszeit-Mantra von gestern: Vollzeit plus Überstunden plus Flexibilität plus Leistungsverdichtung. Allseitige Verfügbarkeit schließt oft die volle Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen aus. Wir brauchen Arbeitszeiten die zum Leben passen. Auch und gerade weil unsere Branche für Fachkräfte ­attraktiv sein muss.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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