Kompetent, nüchtern, norddeutsch: Bis Ende des vergangenen Jahres war Jörg Asmussen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Seit Januar gehört er als "Außenminister" der Europäischen Zentralbank zu den wichtigsten Eurorettern.
vorwärts.de: Seit wann sind Sie in der SPD?
Jörg Asmussen: Ich bin 1986, ungefähr mit Beginn des Zivildienstes, eingetreten.
Warum?
Wegen Helmut Schmidt.
Was verbindet Sie heute mit der SPD?
Die SPD hat sich nie davor gedrückt, auch in schwierigen Zeiten, Verantwortung für Deutschland und Europa zu übernehmen. Das gilt für die Weimarer Republik, für Willy Brandts Ostpolitik und das setzt sich bis zur Agenda 2010 und der Rente mit 67 fort. Die letzten beiden Maßnahmen sind zwar in der SPD umstritten, aber das waren notwendige Reformen.
Monatelang galten Sie als zukünftiger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, also oberster Währungshüter. Stattdessen wurden Sie „Außenminister“ der EZB. Wie ist das, wenn man so lange für einen Job gehandelt wird und ihn dann doch nicht bekommt?
Ich habe mich selbst nie dafür gehandelt und bin sehr zufrieden damit, das europäische Krisenmanagement mit zu gestalten und mich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich Europa, der Binnenmarkt und die Währungsunion weiterentwickeln.
Sie haben sich während ihrer Zeit im Finanzministerium bis etwa 2006 sehr für die Liberalisierung der Finanzmärkte eingesetzt. War das ein Fehler?
Ich glaube, wir haben auch Fehler gemacht, indem wir uns zu weit dem damaligen Zeitgeist unterworfen haben. Deshalb ist es richtig, dass jetzt das Pendel ein Stück weit zurückschlägt und seit der Krise versucht wird, global, europäisch und national die Finanzmärkte stärker zu regulieren. Wir haben z.B. angefangen, europäische Aufsichtsstrukturen für Banken, Versicherungen und Börsen zu schaffen. Mit solchen Aufsichtsstrukturen hätte man z.B. leichter erkennen können, dass die Hypo Real Estate massive Probleme mit ihrer irischen Tochterfirma hat, die dann eine gewaltige Rettungsaktion durch die Bundesregierung erforderlich machten.
Welche Folgen hat die Herabstufung von neun Euroländern durch die US-Ratingagentur Standard & Poor’s?
Kurzfristige Ratingveränderungen beunruhigen mich nicht. Ich mache mir mehr Sorgen um die längerfristige Entwicklung in diesen Euro-Ländern. Es geht um die Frage: Ist die Finanzsituation in diesen Staaten auf Dauer tragfähig? Dafür müssen die Staaten ihre Schulden nicht auf Null bringen. Aber die Schulden sollten 60 Prozent des BIP nicht überschreiten. Sie liegen in vielen Euro-Ländern, aber auch in den USA und in Japan viel höher.
Wenn alle sparen, wer kurbelt dann die Wirtschaft an?
Mit dem Argument versucht man gerne, dem Sparen zu entwischen. Die Frage ist vor allem, wie man in Zeiten, in denen die Wirtschaft gut läuft, sicherstellt, dass Schulden getilgt werden statt Geschenke zu verteilen.
Was bringt eine Finanztransaktionssteuer?
Sie bringt nach Schätzungen der EU-Kommission zunächst Einnahmen von etwa 55 Milliarden Euro im Jahr. Die Volatilität auf den Finanzmärkten, also die großen Schwankungen der Finanzmärkte, wird sie vermutlich weniger dämpfen, als viele vermuten. Dazu müsste man die Transaktionssteuer mit speziellen Maßnahmen der Regulierung kombinieren, wie z.B. einer Beschränkung des Hochfrequenzhandels.
Wo steht der Euro in einem Jahr?
Wir haben eine Schuldenkrise in einigen Staaten der Eurozone, aber wir haben keine Krise des Euro. Der Euro hat sich global als zweitwichtigste Währung etabliert, auch in den vergangenen beiden Jahren, als wir die Schuldenkrise hatten. Wir sind auf dem Weg zu einem multipolaren Währungssystem und da wird der Euro als zweitwichtigste Währung eine wichtige Rolle spielen.
Müssen wir Angst vor Inflation haben?
Nein. Inflationssorgen sind unbegründet. Die Prognosen für dieses Jahr in der Eurozone besagen, dass wir noch einige Monate mit etwas über zwei Prozent rechnen müssen und dann wieder auf einen Wert von unter aber nahe zwei Prozent zurückkehren. Das definieren wir als Preisstabilität.
Einer ihrer Ex-Chefs hat Sie mal als „mittelmäßigen Ökonomen“ bezeichnet, und wird damit immer wieder zitiert. Ärgert Sie das?
Heiner Flassbeck soll das gesagt haben. (Er war von Oktober 1998 bis April 1999 Oskar Lafontaines Staatssekretär, Red.). Das ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Wir teilen allerdings auch nicht immer die wirtschaftspolitische Analyse.
Bringen Sie ihre Kinder abends noch ins Bett?
In Berlin habe ich vor Abendterminen öfter mal versucht, für eine Stunde nach Hause zu fahren und sie ins Bett zu bringen. Das hat auch meistens funktioniert, denn bis zum Prenzlauer Berg war es ja nicht weit. Ich lese dann vor. Ich singe auch. Nicht schön, aber die Kinder schlafen dann ein. Das ist jetzt mit dem Pendeln zwischen Berlin und Frankfurt etwas schwieriger.