Inland

Ich helfe Trauernden

von Maicke Mackerodt · 12. September 2012

Bestatterin wollte ich schon mit 14 Jahren werden. Als meine Tante unerwartet starb, hat meine Familie über das Unternehmen bestatten lassen, in dem ich heute arbeite. Neben meiner Trauer war ich schon damals als Teenager fasziniert von dem Drumherum, heute würde ich sagen von der Logistik, die hinter Beerdigungen steckt. 

Das hat sich bis heute nicht geändert. Nach dem Fachabitur habe ich mich aber nicht getraut, mich zu bewerben. Ich dachte, als Frau habe ich keine Chance. Meine Mutter hat mich zum Glück ermutigt. Nach zwei Wochen Probearbeiten konnte ich den Lehrvertrag unterschreiben und vorigen Sommer wurde ich übernommen. Meine Chefs haben mich dann ein halbes Jahr auf Tour geschickt, befreundete Unternehmen besuchen: kennenlernen, wie woanders gearbeitet wird. Zuletzt habe ich sogar auf einer Hospiz-Palliativ-Station mitgearbeitet. Eine wertvolle Erfahrung: zu erleben, wenn sich jemand vom Leben verabschiedet. 

Mein Arbeitstag beginnt morgens um halb acht. Wenn ich Särge fürs Krematorium fertig machen muss, ziehe ich erst Werkstattkleidung an. Dann hole ich den Sarg, der Verstorbene wird ausgekleidet, gewaschen und hergerichtet. Das macht mir nichts aus. Wenn eine Trauerfeier ist, trage ich einen schwarzen Anzug, bereite die Dekoration vor, mache Parkplatzdienst, begrüße die Trauergäste, begleite das Kerzen-Abschiedsritual, bei dem jeder Angehörige eine Kerze in der Hand hat. Ich bin Mädchen für alles, koordiniere das Ganze, damit sich die Angehörigen keine Gedanken machen brauchen.
Wenn Verstorbene abgeholt werden müssen, fahren wir immer zu zweit. Der Leichnam wird in einem weißen Leinentuch getragen und in die Kühlräume verbracht. Später folgen die Beratungsgespräche, suchen die Angehörigen Sarg oder Urne aus. Nebenher erledige ich Botengänge: Trauerdrucksachen zu den Angehörigen bringen. Den Überführungswagen säubern. Oder an den Särgen Griffe montieren. Regulär verlasse ich um 18 Uhr das Haus. Alle vier Wochen habe ich rund um die Uhr Bereitschaftsdienst.
Auf Partys erzähle ich nie, was ich mache, sonst muss ich den ganzen Abend darüber reden. Ich sage, ich bin Brokerin.

Bestattungsfachkraft
Sabrina Weis
23 Jahre, lebt in Bergisch Gladbach
Ausbildung: 3 Jahre zur Gesellin
Status: angestellt
Gehalt: 1900 Euro brutto/Monat zzgl. Zulagen
Arbeitszeit: 40 Wochenstunden, plus Bereitschaftsdienst

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Autor*in
Maicke Mackerodt

ist Journalistin, Audio-Biographin und Coach. Sie lebt in Köln.

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