Inland

„Ich habe im Stadion die Regenbogenfahne geschwenkt“

von Carl-Friedrich Höck · 28. Februar 2014

Während der Olympischen Winterspiele war die sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Michaela Engelmeier-Heite in Sotschi. Warum sie die umstrittenen Spiele nicht boykottiert hat und welche politischen Schlüsse sie aus der Reise zieht, erklärt sie im Interview mit vorwärts.de.

vorwärts.de: Während der Olympischen Winterspiele sind Sie nach Sotschi gereist.  Was haben Sie dort gemacht?

Michaele Engelmeier-Heite: Da ich zum Auftakt der Spiele dort war, konnte ich zur Eröffnung des deutschen Hauses viele Gespräche mit Athletinnen und Athleten sowie mit Vertretern der nationalen und internationalen Sportverbände führen. Außerdem stand der Austausch mit der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ über die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Sotschi und mit Irina Rodnina, einer ehemaligen russischen Eiskunstläuferin, die heute Mitglied der Duma ist, auf dem Programm. Diese Gespräche werden wir sorgfältig auswerten, denn es besteht auf vielen Politikfeldern Handlungsbedarf.

Was war der Zweck Ihres Besuchs?

Als Sprecherin der Arbeitsgruppe Sport in der SPD-Bundestagsfraktion setze ich auf den Dialog mit den unterschiedlichen Gruppen des Sports. Die Botschaft meines Besuches in Sotschi war in erster Linie die Wertschätzung für die Athletinnen und Athleten im deutschen Olympia-Team, die sich jahrelang auf diese Spiele vorbereitet haben und auf alle Fälle eine Glanzleistung vollbracht haben. An sie auch auf diesem Wege: Herzlichen Glückwunsch zu diesen hochkarätigen Wettkämpfen und herzlichen Dank für Ihren Einsatz!

Es war auch ein Zeichen des Respekts, dass Bundesinnenminister de Maizière als zuständiger Sportminister in Sotschi war, um die Sportlerinnen und Sportler zu unterstützen. Einen Boykott der Spiele halte ich nicht für das richtige Mittel. Dem Team der Paralympics drücken wir ebenfalls die Daumen für erfolgreiche und spannende Spiele.

Welche Erkenntnisse bringen Sie von der Reise mit?

Tatsächlich gibt einige sportpolitische Schlüsse aus dieser Reise zu ziehen. Zunächst steht die Förderung des Spitzensportes auf der Agenda und wir werden im Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Deutschen Olympischen Sportbund über die Weiterentwicklung der Sportförderung diskutieren. Darüber hinaus halte ich eine Reform der Vergabepraxis von Sportgroßveranstaltungen für notwendig. Das Internationale Olympische Komitee hat mit seiner Agenda 2020 einen ersten Schritt in diesem Reformprozess getan. Der Sport ist autonom. Gleichwohl bieten wir unsere Unterstützung an, wenn es darum geht, Vergabekriterien nachhaltig und sozial gerecht zu gestalten. Ich wünsche mir insgesamt mehr Bescheidenheit und Verantwortungsbewusstsein in der Ausrichtung solcher Mega-Events.

Vor den Spielen haben viele befürchtet, homosexuelle Sportfans könnten in Russland Repressionen ausgesetzt werden. War diese Sorge nach ihren Eindrücken berechtigt?

Sport und Politik gehören zusammen, weil die gesellschaftliche Bedeutung des Sports immens groß ist. Im Sport werden Werte wie Fairplay, Toleranz und Teamgeist vermittelt. Repressionen an homosexuellen Sportfans sind nicht akzeptabel und passen nicht zum olympischen Geist der Wettkämpfe. Deshalb gab es in Sotschi eine große Solidarität mit homosexuellen Aktivistinnen und Aktivisten. Ich fand es ein gutes Zeichen, dass viele Fans mit Regenbogenfahnen, Mützen und Aktionen für sexuelle und somit auch gesellschaftliche Vielfalt demonstriert haben – auch ich habe im Stadion die Regenbogenfahne geschwenkt. Selbstverständlich sind das bescheidene Gesten, die nur ergänzend zur diplomatischen Arbeit Sinn machen. Umso mehr freue ich mich über die politische Unterstützung des Koordinators der Bundesregierung für die gesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, dem Bundestagsabgeordneten Gernot Erler. Den Athletinnen und Athleten waren demonstrative Gesten wie das Tragen von Bannern oder Schriftzügen auf dem Olympiagelände verboten – solche Einschränkungen finde ich nicht besonders zeitgemäß.

Das Innenministerium hat die deutschen Wintersportler seit 2010 mit fast 30 Millionen Euro gefördert. Laut einem Bericht des Spiegel hat die Politik im Gegenzug Medaillen gefordert, ansonsten werde die Förderung gekürzt. Gilt in der Sportpolitik nicht der Grundsatz "dabei sein ist alles"?

Die Spitzensportförderung des Bundes hängt von vielen Faktoren ab. Ein reines Medaillenzählen bei Olympischen und Paralympischen Spielen wird dem nicht gerecht. Wir wollen eine angemessene Anerkennung für die sportlichen Leistungen, denn es ist bereits ein riesiger Erfolg, an den Wettkämpfen teilzunehmen, das gilt für Sportlerinnen und Sportlern und ebenfalls für ihre Trainerinnen und Trainer. Den Grundsatz, Ziele zu vereinbaren, halte ich für richtig. Jede Athletin und jeder Athlet setzt sich persönliche Ziele - aber der Gewinn einer Medaille lässt sich nun mal nicht am Reißbrett planen. Dass manche Medaillenziele des DOSB wohl eher utopisch sind, konnten wir an den Olympischen Sommerspielen in London 2012 und nun auch an den Winterspielen in Sotschi erkennen. Der sogenannte Zielkorridor des DOSB für das deutsche Olympia-Team von 27 bis 42 geplanten Medaillen wurde in Sotschi deutlich verpasst.

Die deutschen Sportler haben in Sotschi 19 Medaillen gewonnen. Wird das enttäuschende Abschneiden politische Konsequenzen haben?

Wir sich die künftige Sportförderung des Bundes gestalten wird, debattieren wir im Rahmen der Haushaltsberatungen im Sportausschuss des Deutschen Bundestages. Die Gelder zur Förderung des olympischen und paralympischen Spitzensports werden aufgrund des Haushaltsbeschlusses des Deutschen Bundestages bereit gestellt. Wir sind gespannt auf die Vorstellungen des DOSB, der ja für die Verteilung der Fördermittel zuständig ist. Wir wollen mehr Transparenz in der Sportförderung. Ein erster Erfolg dafür ist die Veröffentlichung der Zielvereinbarungen, die von der SPD-Bundestagsfraktion lange und vehement eingefordert wurde. Ich halte außerdem ein Sportfördergesetz für ein gutes Mittel, um die Sportförderung des Bundes vom Kopf auf die Füße zu stellen und für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar zu machen.

Ein stets wiederkehrendes Thema bei olympischen Spielen ist Doping. Im Koalitionsvertrag haben Unionsparteien und SPD angekündigt, den Kampf gegen Doping durch strafrechtliche Regelungen zu verschärfen. Was strebt die SPD hier konkret an?

Es ist erfreulich, dass in Sotschi die Anzahl der Doping-Proben erhöht wurde. Auch die Zahl der Tests im Vorfeld der Spiele stieg von 800 in Vancouver auf fast 1300 in Sotschi an. Diese Arbeit ist wichtig und unentbehrlich, sie bleibt aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Immer wiederkehrende Dopingfälle zeigen deutlich, dass der Kampf gegen Doping in Deutschland mit ganzer Kraft fortgeführt werden muss. Doping ist Betrug, gefährdet die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler und verhindert einen fairen und sauberen Wettkampf. Deshalb fordern wir in der SPD-Bundestagsfraktion strafrechtliche Maßnahmen im Kampf gegen Doping und Spielmanipulation im Sport. Die Zeit ist reif für ein Anti-Doping-Gesetz. Wir setzen uns für die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit von Dopingmitteln zum Zweck des Dopings im Sport sowie zum Schutz der Integrität des sportlichen Wettbewerbs ein. Neben den gesetzlichen Regelungen brauchen wir auch endlich eine gesicherte Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA).

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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