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Hubertus Heil: Die Grundrente ist ein Meilenstein für die Menschen

Die Verhandlungen zur Grundrente waren hart. Doch pünktlich zum 1. Januar 2021 soll sie in Kraft treten, betont Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Im Interview mit dem vorwärts erklärt der SPD-Politiker, was er sonst noch erreichen will.
von Vera Rosigkeit · 28. November 2019
„Für die Menschen, die die Grundrente bekommen, ist es ein sozialpolitischer Meilenstein“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
„Für die Menschen, die die Grundrente bekommen, ist es ein sozialpolitischer Meilenstein“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

Herr Heil, wie viele Nerven hat Sie die Umsetzung der Grundrente mit der Union gekostet?

Für die Menschen, die die Grundrente bekommen, ist es ein sozialpolitischer Meilenstein. Dafür hat sich der Einsatz gelohnt. In den harten Verhandlungen hat sich allerdings auch gezeigt, dass CDU und CSU ein grundlegend anderes Sozialstaatsverständnis haben als wir Sozialdemokraten. Unsere Überzeugung ist es, dass Menschen sich ihren Rentenanspruch redlich verdient haben. Für die Union ging es lediglich um Bedürftigkeit. Am Ende steht eine gute Lösung

Hauptstreitpunkt war die Bedürftigkeitsprüfung. Was ist der Unterschied zu der jetzt verhandelten Einkommensprüfung?

Der Einkommensabgleich ist etwas grundlegend anderes. Eine Bedürftigkeitsprüfung gibt es in der Grundsicherung. Wenn jemand in existenzieller Not ist und Hilfe vom Staat bekommt, muss geklärt sein, dass er diese Unterstützung auch wirklich benötigt.

Bei der Rente geht es aber nicht um Bedürftigkeit, sondern um Lebensleistung. Mir war wichtig, dass jemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, am Ende mehr bekommt als die Grundsicherung. Dafür wollte ich eine unbürokratische Lösung. Das haben wir erreicht.

Bis die Grundrente in Kraft treten kann, ist aber noch einiges zu tun. Wann ist mit den ersten Gesetzesentwürfen zu rechnen?

Ich habe im Sommer schon einen Referentenentwurf vorgelegt, den müssen wir jetzt überarbeiten. Wir wollen dafür sorgen, dass der zügig ins Bundeskabinett kommt. Ich bin zuversichtlich, dass das zeitnah gelingt. Dann geht es in den Bundestag, sodass die Grundrente pünktlich zum 1. Januar 2021 in Kraft tritt. Das ist der Fahrplan.

Was sind denn – nach der Grundrente – die nächsten Brocken, die die SPD in der großen Koalition noch in Angriff nehmen möchte?

Nächstes Jahr muss es endlich höhere Löhne in der Pflege geben. Dafür wollen wir einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklären. Das Gesetz dafür haben wir jetzt beschlossen.

Es ist schon eine Menge geschafft worden, aber wir dürfen nicht stehen bleiben. Wir erleben einen fundamentalen Wandel unserer Arbeitsgesellschaft durch die Digitalisierung und den Klimaschutz. Das wichtigste ist, dass die Beschäftigten von heute die Chance haben, die Arbeit von Morgen zu machen. Deswegen will ich noch in diesem Jahr einen Entwurf für das „Arbeit-von-morgen“-Gesetz vorlegen. Darin geht es um Weiterbildung und Qualifizierung. Es geht aber auch darum, für wirtschaftlich schwierigere Zeiten Kurzarbeit mit Weiterbildung zu verbinden.

In einem weiteren Gesetz geht es um die Qualität der Arbeit: Wir wollen die sachgrundlose Befristung zurückdrängen, Mitbestimmungsrechte stärken und die Tarifbindung erhöhen. Das soll insgesamt den Wert der Arbeit stärken und in Zeiten des Wandels Chancen und Schutz für Arbeitnehmer bieten.

In der Partei wird die Erhöhung des Mindestlohns debattiert. Wie stehen Sie dazu?

Der Mindestlohn steigt ab dem Januar erstmal auf 9,35 Euro. Nach 2020 muss er schnell weiter steigen. 12 Euro sind realistisch. Trotzdem ist mir ganz wichtig: Wenn wir über angemessene Löhne in Deutschland sprechen, sollten wir die Debatte nicht nur auf den Mindestlohn reduzieren. Der Mindestlohn ist immer nur die absolute Untergrenze. Grundsätzlich gilt: Wir müssen in Deutschland wieder zu mehr Tarifbindung kommen. Nur 47 Prozent der Beschäftigten in Deutschland stehen unter dem Schutz eines Tarifvertrags. Unter einem Tarifvertrag sind die Lohn- und Arbeitsbedingungen aber in der Regel besser. Deswegen müssen wir dafür Anreize setzen, Sozialpartnerschaft stärken.

Wir haben mittlerweile auch die Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie auf den Weg gebracht, damit wir ganze Tarifstrukturen für allgemeinverbindlich erklären können. Das sorgt für faire Arbeitsbedingungen und Wettbewerb über Grenzen hinweg.

Welche Instrumente hat denn die Politik, um die Sozialpartnerschaft zu stärken?

Das lässt sich anhand unserer Bemühungen in der Pflege gut erklären: Allen Beteiligten in dem Bereich ist klar, dass wir das Personal besser bezahlen müssen, sonst finden wir keine Fachkräfte. Deswegen haben wir ein Gesetz gemacht, das zwei Wege eröffnet: Der erste Weg liegt in der Möglichkeit, einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklären zu können. Dafür muss es aber erstmal einen Tarifvertrag geben. Ich baue darauf, dass die Branche an einem Strang zieht und sich einigt.

Aber wenn kein Tarifvertrag zustande kommt, werden wir – und das ist der zweite im Gesetz angelegte Weg – mit verbindlichen gesetzlichen Lohnuntergrenzen arbeiten. Es gibt ja heute schon einen Pflege-Mindestlohn, der gilt aber nur als untere Grenze für Hilfskräfte. Wir werden dann weitere Linien für qualifizierte Kräfte einziehen.

Allgemein müssen wir aber auch darüber sprechen, welche Rolle der Staat spielt. Wir haben 14 Bundesländer, die ein Tariftreuegesetz haben, die die Vergabe von Aufträgen bereits heute an Tarifverträge koppeln. Der Bund hat leider noch keines. Da müssen wir Druck machen, damit wir mit Tarifflucht nicht mit Steuergeldern unterstützen. Dafür ist aber das Ressort von Wirtschaftsminister Peter Altmaier verantwortlich.

Was wäre denn, jenseits der Regierungskoalition, die Idealvorstellung einer sozialdemokratischen Renten- und Arbeitsmarktpolitik?

Wir müssen soziale Rahmen schaffen, auf die sich Menschen verlassen können. Dazu gehört das Prinzip, dass ein Mensch, der sein Leben lang gearbeitet hat, eine ordentliche Alterssicherung hat. Das Ziel ist ein Vollzeitjob oder ein Teilzeitjob mit auskömmlichen Lohn.

Bei der Alterssicherung müssen wir das Rentenniveau stabil halten – auch über 2025 hinaus. Das ist ein erheblicher Kraftakt. Eine zukunftsfeste gesetzliche Rente ist aus meiner Sicht eine sozialdemokratische Kernaufgabe.

Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen selbstbestimmt leben können und dass sie eine ordentliche Absicherung haben im Alter. Das ist für mich das sozialdemokratische Leitmotiv. Ohne die Sozialdemokratie wird das nicht gelingen, es gibt keine andere politische Kraft, die diesen sozialen Kompass und diese feste Entschlossenheit hat.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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