Högl: Seehofer muss endlich ein Konzept liefern
Es ist das Prestigeprojekt von CDU und CSU. Seit Regierungsbeginn wird Bundesinnenminister Seehofer nicht müde, die Bedeutung und Vorzüge von Ankerzentren zu betonen. Doch was ist seitdem geschehen? Nichts. Noch immer hat der Bundesinnenminister kein Konzept vorgelegt, was genau er sich unter solchen Einrichtungen vorstellt.
Neuer Name für eine alte Idee
Im Koalitionsvertrag sind Ankerzentren als Einrichtungen beschrieben, in denen die Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung (AnKER) Asylsuchender stattfinden sollen, indem alle relevanten Akteure – BAMF, BA, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere – Hand in Hand zusammenarbeiten. Wäre das gut? In der Theorie ja. Wenn dadurch Asylverfahren beschleunigt werden und Asylsuchende schneller Gewissheit erhalten, ob sie bleiben dürfen oder gehen müssen. Sie könnten so schneller in Kommunen integriert – oder rückgeführt werden. Aber ist das neu? In der Praxis nein. Bereits jetzt gibt es in zahlreichen Bundesländern Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen genau das geschieht und alle wichtigen Akteure für schnelle Verfahren und gelingende Integration zusammenarbeiten.
Was würden Ankerzentren also ändern oder verbessern? Auf diese Fragen ist Seehofer bis heute Antworten schuldig. Entweder weil er sie immer noch sucht. Oder aber weil es sie gar nicht gibt. Dadurch entsteht das Gefühl, dass es sich bei Ankerzentren um nichts anderes als effiziente Erstaufnahmeeinrichtungen handelt – nur unter anderem Namen. Außer Bayern hat sich noch kaum ein anderes Bundesland entschlossen, seine Erstaufnahmeeinrichtungen umzubenennen.
Problematische Symbolpolitik
Wir als SPD haben klare Vorstellungen, was Ankerzentren sein sollen, beziehungsweise rote Linien, was sie nicht sein dürfen. Es dürfen keine geschlossenen, gefängnisgleichen Einrichtungen sein. Asylsuchende müssen sich frei bewegen und sie jederzeit verlassen können. Es dürfen keine Einrichtungen für abertausende Menschen sein. Große Sammelunterkünfte erschweren das Ankommen und fördern Konflikte. Asylsuchende sollten darin nur so lange wie nötig und so kurz wie möglich untergebracht werden. Ziel muss eine zeitnahe dezentrale Verteilung auf Kommunen sein. Sprach- und Integrationskurse sollten frühzeitig angeboten sowie eine unabhängige Asylverfahrensberatung von Beginn an gewährleistet werden.
Bundesinnenminister Seehofer ist gefragt, endlich sein Konzept von Ankerzentren zu liefern und zu beweisen, dass es sich hierbei um mehr Schein als Sein handelt. Denn diese Form von Symbolpolitik muss aufhören. Sie schafft Probleme, wo keine sind, und bietet Lösungen, die keine sind. Das schädigt nur das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie. Das hat der Asylstreit der Unionsparteien gezeigt. Wochenlang hat die Frage um Grenzzurückweisungen die Regierungsarbeit erschwert. Dabei wird die Zurücksendung nach der Dublin-Vereinbarung seit Monaten und Jahren praktiziert.
Zukunft gestalten
Die Menschen erwarten, dass wir die wirklichen Probleme der Bürgerinnen und Bürger anpacken und die Zukunft gestalten. Zu Recht. Wir haben viele wichtige Vorhaben im Koalitionsvertrag vereinbart – Rente, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Bildung, Digitalisierung und Wohnen. Davon dürfen wir uns nicht abholten lassen durch endlose Diskussionen über Konzepte, die es nicht gibt.
Thomas Trutschel/photothek.net
ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion