Inland

Hoffen wir, dass es klappt

von Susanne Dohrn · 2. Juni 2010
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vorwärts.de: Für wie gefährlich halten Sie die Verschuldung der Welt?
Dirk Solte: Die Verschuldung der Welt beträgt mindestens das Vierfache der Weltjahresproduktion, also des Weltbruttoinlandsprodukts. Die Frage ist also: Wem kann man überhaupt noch die abgegebenen Versprechen auf zukünftige Wertschöpfung glauben, die hinter jedem Geld und jeder Schuldverschreibung sitzen? Wenn diese Frage dazu führt, dass die Anleger massiv diese Schuldverschreibungen verkaufen, kann das System kollabieren.

Müssen wir dafür bezahlen, dass Griechenland über seine Verhältnisse gelebt hat?

Die gesamte Welt lebt seit mehr als 40 Jahren über ihre Verhältnisse. Das bedeutet: Jahr für Jahr wurden immer mehr Versprechen auf zukünftige Wertschöpfung abgegeben - von allen Ländern - als die Fähigkeit zur Wertschöpfung gestiegen ist. Für diese Überschuldung kann man gar nicht mit Geld, also noch mehr Schulden, bezahlen, sondern nur mit Wertschöpfung. Sonst müssten ja noch mehr Schulden von "den Märkten" akzeptiert werden, diesen weiteren Versprechungen müsste geglaubt werden. Ist das realistisch? Die Idee der Euro-Rettung ist aber auch vielmehr, die Kosten für die öffentliche Verschuldung Griechenlands zu reduzieren, indem die Euro-Partner griechische Kredite rückversichern, also im Fall der Fälle für einen "credit default" (Kreditausfall) griechischer Schuldverschreibungen geradestehen, damit "die Märkte" den Versprechungen wieder glauben.

Diesen Kreditausfall haben die Regierungen mit ihrem Rettungspaket erstmal verhindert. War das also richtig?

Jedes Ereignis, das zu einem Run aus Schuldverschreibungen führen kann, halte ich für äußerst gefährlich. Deshalb muss die Zahlungsfähigkeit, zumindest in solchen Krisensituationen, definitiv sichergestellt sein. Wir helfen also mit, dass Griechenland wieder zahlungsfähig wird. Hoffen wir, dass es klappt. Die Griechenlandkrise zeigt in besonderem Maße, wie gefährlich eine Situation ist, in der die Weltsparleistung nicht einmal mehr ausreicht, die Kredite der öffentlichen Hände zu bedienen.

Welche Chancen gibt es, aus dieser Schuldenspirale herauszukommen?

Diese ungute Situation lässt sich prinzipiell nur auf drei Wegen lösen:

1. Die Wertschöpfung steigt und zwar so balanciert, dass die Schulden zurückgefahren werden können, das heißt, die Schulden werden über Wachstum zurückgezahlt ("sanftes" Deleveraging).
2. Die Schuldner erklären ihre Insolvenz wegen Überschuldung, wodurch es zu einem Kapitalschnitt (Währungsschnitt) kommt, bei dem Schulden und Vermögen um einen bestimmten Faktor reduziert werden, aus 200 000 Euro werden also z. B. 20 000 Euro.
3. "Verschleppen der Insolvenz" über eine Inflation. Die Lösungen 2 und 3 führen zu einer Brasilianisierung, das heißt einer Verarmung von breiten Teilen der Bevölkerung. Wie auf dem G20 Meeting in Pittsburgh zum Ausdruck gebracht und aktuell auch von der G20 Gruppe in Washington im April formuliert wurde, bedarf es einer politischen Lösung für "Strong, Sustainable and Balanced Growth", also eine Strategie für 1. Die Frage wird sein, ob man sich auf dem Vorbereitungstreffen der G 20 in Korea Anfang Juni auf ein politisches Maßnahmenbündel einigen kann, um diesen Pfad einzuschlagen. Ich gebe diesem wünschenswerten Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 35 Prozent.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Staaten versuchen werden, sich mit Hilfe einer Inflation zu entschulden?

Wenn, dann ist aus meiner Sicht eher ein Szenario zu befürchten, bei dem die Staaten eine aus ihrer Sicht geordnete Entschuldung verfolgen. Dies wäre ein Währungsschnitt mit der Intention, Preise, Wechselkurse, Lohnniveau und so weiter stabil zu halten. Ich befürchte mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, dass es zu so einer Entwicklung kommen wird.

Die Menge des "Schwellgeldes", also der verbrieften Geldansprüche, in Relation zum Geld der Zentralbanken beträgt mehr als 50 zu 1, Tendenz steigend. Wie entsteht soviel Schwellgeld?

Die gesamte Staatsverschuldung ist Schwellgeld, alles Geld, das nicht Zentralbankengeld ist, z.B. alle "verbrieften Kredite", Bundesobligationen, Schuldverschreibungen von Staaten, etc. und auch das Geld "auf dem Konto" ist Schwellgeld, es ist Geschäftsbankengeld. Alle Kredite sind letztlich Versprechen, später einmal Zentralbankengeld zu "liefern", das man nicht hat, wenn man den Kredit aufnimmt. Es ist der Leerverkauf von Zentralbankengeld, das ist Schwellgeld, also gewissermaßen "Zentralbankengeld-Gutscheine". Schwellgeld ist solange "so gut wie Zentralbankengeld", wie jemand darauf vertraut, dass bei Bedarf sein "Geldgutschein" eingelöst wird. Wenn "Schwellgeld" fällig wird, also am Ende einer vereinbarten Kreditlaufzeit, muss das Zentralbankengeld geliefert werden, dazu müsste man es aber haben. Die Frage ist sonst: Gibt es mir jemand? Das ist das Problem Griechenlands, die Staatseinnahmen sind nicht ausreichend um die fälligen Kredite zurück zu zahlen, man muss sich das fehlende Zentralbankengeld gegen einen neuen Schuldschein besorgen, es akzeptiert aber niemand mehr einen griechischen Schuldschein im Tausch gegen Zentralbankengeld. Deshalb versucht man jetzt folgendes:

1: Griechenland erzeugt Schwellgeld (Staatsschuldverschreibungen). 2. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erzeugt Schwellgeld (Schuldverschreibungen der KfW).
3. Die KfW-Schuldverschreibungen werden am Markt angeboten und hoffentlich auch weiterhin gekauft, z.B. von Geschäftsbanken, die mit neu erzeugtem Geschäftsbankschwellgeld bezahlen. 4. Mit diesem Geschäftsbankschwellgeld "kauft" die KfW das Griechenladschwellgeld. Resultat: Für den Kredit an Griechenland wird das dreifache Volumen an Schwellgeld kreiert und das Problem an Zentralbankengeld zu kommen landet so bei den Geschäftsbanken. Im Kern hat sich aber dann das Problem verschärft, denn: Die Relation Schwellgeld zu Zentralbankengeld nimmt an Gefährlichkeit immer noch weiter zu. Und was passiert, wenn sich die Geschäftsbanken gegenseitig nicht mehr trauen, also lieber Zentralbankengeld bei sich horten, anstatt es anderen Banken zu leihen? Dann werden die Banken zahlungsunfähig und die Schwellgeldblase fällt in sich zusammen. Die Zahlungsfähigkeit der Geschäftsbanken ist also das Problem im Zentrum des Weltfinanzsystems, an dem alles hängt.

Deshalb müsste man politisch jetzt unbedingt das Horten von Zentralbankengeld wirksam unterbinden. Man müsste eine Maximalreservebegrenzung für Finanzinstitute einführen, die Finanzinstitute müssten gezwungen werden ihre überschüssige, gehortete Liquidität weiter zu geben.


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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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