Jahrelang galt Dortmund bundesweit als Hochburg der Rechten. Mit dem Gewerkschaftskongress „Für Freiheit, Vielfalt und Toleranz“ will man den Neonazis die Stirn bieten. 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren friedlich über Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit.
„Wir sind heute nicht zufällig in Dortmund“, mahnt Andreas Mayer-Lauber, Vorsitzender des DGB Nordrhein-Westfalen. Jahrelang verbreiten Neonazis hier Angst und Schrecken. Dortmund avancierte zu einem Sammelbecken der rechten Szene. Egal ob Skinheads, Autonome Nationalisten oder die Borussenfront, rechtsextreme Anhänger des Fußballvereins, sie alle glaubten, in Dortmund ideale Bedingungen gefunden zu haben.
Sie besetzten Stadtteile, verunsicherten Menschen, reagierten mit Pöbeleien und Gewalt. Damit soll nun Schluss sein: „Diese Stadt ist nicht mehr die Hochburg der Rechten, sondern die Hochburg im Kampf gegen Rechts“, gibt sich Jutta Reiter, Vorsitzende des DGB Dortmund, kämpferisch.
Druck aufbauen
Mit dem Kauf von Häusern, die die Rechtsextremen besetzen, Ordnungspartnerschaften und Appellen an das zivile Engagement der Bürger, reagiert nun auch die Stadt. „Die Nazis spüren, dass sich ihr Raum verkleinert“, stellt Dortmunds Oberbürgermeister Ulli Sierau (SPD) klar. „Wir brauchen ein NPD-Verbot. Es darf keinen Spaß mehr machen, als Nazi unterwegs zu sein“, betont auch Andreas Mayer-Lauber.
Gründe dafür gibt es genug: Derzeit stehen zwei Kader der Dortmunder Neonazi-Szene vor Gericht. Vor drei Jahren überfielen sie einen Demonstrationszug des DBG und sind erst jetzt wegen Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz angeklagt. Mit dem Verhalten der Justiz ist DGB-Vorsitzender Mayer-Lauber „unzufrieden“. „Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die Demokratie geschützt wird.“ Die Politik müsse deutlich machen, dass sich ein Rechtsstaat dies nicht erlauben kann, pflichtet ihm auch Jutta Reiter bei.
Einen Grundstein dafür legt die sozialdemokratische Landespolitik. Die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei werde verschärft, sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger. Selbst wenn es sich um kleinere Delikte wie Schwarzfahren handle, die Vergehen würden zu einem Täterprofil verdichtet. „Wir machen richtig Druck“, betont er.
Drei Jahre bis zum Ausstieg
Hilfe erhalten die „Abtrünnigen“ auch über ein Aussteigerprogramm. Es dauere bis zu drei Jahren, bis man die Betroffenen aus den Klauen der rechten Szene befreit habe. Dies funktioniere meist über die Beschaffung einer neuen Wohnung und einer neuen Arbeitsstelle in einer anderen Stadt. Man könne nicht Neo-Nazis „raus kaufen“, während man bei der Jugendarbeit spart, empört sich Sabrina Erdmann, vom Antirassistischem Bildungsforum Rheinland. Die Präventionsarbeit werde genauso ausgeweitet, kontert Ralf Jäger.
Andreas Meyer-Lauber appelliert ebenfalls an die Landesregierung. In den NRW-Kommunen fehle das Geld für die Jugendarbeit. Gesellschaftliche Integration funktioniere nur über Bildung oder Arbeit. Integration sei aber auch Aufgabe der Zivilgesellschaft. Eine geringe gesellschaftliche Achtung führe zu einer sozialen Ausgrenzung, die Fremdenfeindlichkeit bedinge. Mit den „Neunzig Minuten gegen Rechts“ gehen DGB-Mitglieder für eine Doppelstunde in die Schulklassen. Die Teamer sind nur wenig älter als die Teilnehmer selbst und klären über rechtsextremes Gedankengut auf. „Wer Demokratie und Toleranz erlebt hat, wird sie auch verteidigen“, ist sich Andreas Meyer-Lauber sicher.
Verbrechen lückenlos aufklären
Dass der Rechtsextremismus schon lange kein ostdeutsches Problem mehr ist, darauf weist Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung hin. „Der Westen braucht die Zivilcourage seiner Bürger genauso wie der Osten.“ In seiner Rede spricht er lange über die Vergehen des Nationalsozialistischen Untergrunds. Er nennt die Namen der Ermordeten und skizziert, wie es zu diesem ungeheuerlichen Verbrechen kommen konnte.
Mit den Behörden geht er hart ins Gericht: „Da stehen Extremisten im Verdacht Bomben zu bauen, ein Haftbefehl bleibt aber aus.“ Andreas Meyer-Lauber bezeichnet das Verhalten der Behörden als „beschämend“. Dies habe gezeigt, „dass der Staat auf dem rechten Auge nach wie vor blind“ sei. Er fordert: „Die Verbrechen des NSU müssen lückenlos aufgeklärt werden.“