Hitzewelle in Deutschland: Brauchen wir einen Hitzeplan?
Braucht Deutschland einen bundesweiten Hitzeschutzplan, wie er in diesen Tagen gefordert wird, Heike Baehrens?
Man sollte erstmal genau hinschauen, was es schon alles gibt. Das nervt mich an der Debatte gerade ein wenig: Immer dann, wenn es heiß wird, werden irgendwelche Forderungen erhoben, was man machen könnte, müsste oder sollte. Dabei gibt es vieles davon bereits und muss angewendet werden.
Klar, es gibt Handlungsbedarf: Wir haben jetzt schon mehrere Hitzesommer in Deutschland gehabt, es sind schon in der Vergangenheit viele Menschen aufgrund der Hitze gestorben. Die Durchschnittstemperaturen in Deutschland sind seit Ende des 19. Jahrhunderts schon um zwei Grad angestiegen. Aber: Es ist schon viel gemacht worden in den vergangenen Jahren.
Zum Beispiel?
Wenn man zum Beispiel auf die vulnerablen Gruppen schaut: Pflegeheime und Krankenhäuser müssen längst einen Plan für solche Situationen haben. Ob solche Konzepte vorhanden und durch Maßnahmen hinterlegt sind, wird bei Kontrollen auch überprüft.
Ein viel größeres Problem haben wir in den Privathaushalten: Wenn niemand zuhause dafür sorgt, dass Fenster rechtzeitig abgedunkelt werden, damit die Hitze nicht eindringen kann. Oder wenn ältere Menschen nicht genug trinken, weil sie vielleicht nicht mehr gut schlucken können oder wegen Inkontinenz nicht soviel trinken wollen.
Das Problem ist also weniger in den Einrichtungen, sondern eher dort, wo Menschen allein leben und vielleicht nicht in der Lage sind, sich selbst ausreichend zu schützen.
Ist der Schutz in solchen Hitzeperioden also allein eine private, individuelle Aufgabe?
Nein, auf keinen Fall. Aber die Bundesregierung hat beispielsweise schon 2008 eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel beschlossen. Da geht es auch konkret darum, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die unterschiedlichen Politik- und Verwaltungsebenen sind mit einbezogen. So wie immer eigentlich in Deutschland: Auf jeder Ebene muss das Notwendige getan werden. Diese Strategie wird auch kontinuierlich weiterentwickelt.
Um nur ein paar weitere Beispiele zu nennen: Im Gesundheitsministerium gibt es inzwischen ein Referat „Umweltbezogener Gesundheitsschutz“, es gibt das Infoportal mit Handlungsempfehlungen www.klima-mensch-gesundheit.de, das Umweltministerium berät in einem Zentrum für Klimaanpassung Kommunen zu diesen Themen und es gibt Förderprogramme zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen.
Ältere Menschen haben Sie gerade schon angesprochen – gibt es noch andere Gruppen, die besonders stark in solchen Hitzewellen gefährdet sind?
Durch eine solche Hitze, wie wir sie jetzt haben, sind wirklich alle Menschen in ihrer Gesundheit beeinträchtigt und gefährdet. Jeder sollte Dinge beherzigen wie: frühzeitig Jalousien runterziehen, Räume abdunkeln, regelmäßig Wasser trinken, sich nicht in der prallen Sonne aufhalten. Dafür braucht es denke ich noch mehr Bewusstsein in der Bevölkerung. Das ist natürlich auch eine Aufgabe für unsere Bildungsinstitutionen.
Die Politik könnte aber auch stärker direkt eingreifen: In Krankenhäusern Klimaanlagen zur Pflicht machen zum Beispiel.
Gerade bei Klimaanlagen ist doch aber die Frage: Ist das die richtige Antwort? Oder sollte vielleicht künftig eher so gebaut werden, dass es solche Anlagen gar nicht erst braucht? Wir müssen das ja im Gesamtkontext des Klimawandels sehen: Wir müssen künftig so bauen, dass wir möglichst keine zusätzliche Energie benötigen, um Räume kühl oder warm zu halten.
Deswegen finde ich den Weg, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, richtig: Wir wollen eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie entwickeln. Das muss im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen passieren, aber nicht indem wir das von oben herab per Gesetz oder Verordnung entscheiden. Es ist nicht so, dass wir in der Politik den Schlüssel schon im Schloss stecken haben und ihn nur noch umdrehen müssen.
Welche Rolle, welche Verantwortung kommt dabei eigentlich Arbeitgeber*innen und Unternehmen zu?
Die haben genauso eine Verantwortung. Dafür haben wir ja den Arbeitsschutz und den Gesundheitsschutz.
Diese Verantwortung ist auch in Verträgen verankert. Es gibt die Verpflichtungen, in Innenräumen für eine passende Temperatur zu sorgen, Menschen mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen, damit niemand zu Schaden kommt. Diese Verantwortung müssen auch Unternehmen wahrnehmen. Das kann staatlich weiter gefördert, unterstützt und kontrolliert werden. Die Regeln dafür gibt es aber schon.
Heike Baehrens ist gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Dem Deutschen Bundestag gehört sie seit 2013 an, Mitglied der SPD ist die gebürtige Niedersachsin seit 1988, ihr Wahlkreis ist Göppingen in Baden-Württemberg.
Im ursprünglich veröffentlichten Interview hat sich ein Fehler in der Wiedergabe des Gesprächs eingeschlichen: Die Durchschnittstemperaturen sind in Deutschland um zwei Grad angestiegen, nicht um zwei Prozent. Wir haben die Aussage korrigiert.