Inland

Hitler und die Deutschen

von Theo Meier-Ewert · 21. Dezember 2010
placeholder

Die Ausstellung ist in drei Hauptteile gegliedert. Sie beschäftigt sich mit dem Aufstieg Hitlers zum "Führer" und die Entwicklung der NSDAP zur Massenpartei. Sie beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Verhältnisses von "Führer" und Volk. Und sie widmet sich mit dem Abschnitt "Die Deutschen nach Hitler" der Auseinandersetzung mit dem "Führermythos" bis in die Gegenwart: Vom "Dämon" der unmittelbaren Nachkriegszeit über den "widerlichen Gegenstand", den Golo Mann beschrieb, bis zur Witzfigur im Internet.

Selbstgleichschaltung von unten

Die gesamte Ausstellungsfläche ist von einer Text- und Bildwand umrahmt. Im oberen Bereich sind wechselnde Bilder zu sehen. Der untere Bereich gibt einen chronologischen Überblick über die Ereignisse, Zitate ergänzen die Zeitleiste.

Auf Hitlers "erschreckend einfache Machterschleichung" (Willy Brandt) am 30. Januar 1933, die keine "Machtergreifung", sondern eine Machtübertragung war - ermöglicht durch ein Bündnis der NSDAP mit den Konservativen und der Zustimmung der Reichswehrführung - folgten die Gleichschaltung von oben und die Selbstgleichschaltung von unten. Bereits im Sommer 1933 war der von Terror und Gewalt begleitete Umbau des Rechtsstaats in einen Führerstaat vollendet und verfassungsrechtlich legitimiert.

Verschränkung von Herrschaft und Gefolgschaft

Grundmerkmal des NS-Regimes, so die These der Ausstellung, ist die Verschränkung von Herrschaft und Gefolgschaft, vereint durch die Idee einer rassisch homogenen Volksgemeinschaft. Hitlers Macht gründete nicht auf seiner Persönlichkeit, sondern auf der freiwilligen Unterwerfung der Deutschen. Sie schrieben der Identifikationsfigur Hitler charismatische Fähigkeiten zu. Mit Inbrunst projizierten sie ihre Ängste, Erwartungen und Hoffnungen auf nationale und soziale Erneuerung auf sie.

Terror und Gewalt gegen Andersdenkende, die zu "Gemeinschaftsfremden" erklärt wurden, Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung, nahmen die Deutschen billigend in Kauf oder sie sahen stillschweigend darüber hinweg. Auf eine Formel gebracht wird die mentale Voraussetzung, von Werner Willikens. Der stellvertretende Reichsbauernführer und Staatssekretärs schrieb in einer unveröffentlichten Rede 1934, dass es jedermanns Pflicht sei, "zu versuchen, im Sinne des Führers ihm entgegen zu arbeiten."

NS-Herrschaft und Alltag

Anhand vieler Fotos und Objekte macht die Ausstellung deutlich, wie das im Alltag aussah. Sie versucht den Doppelcharakter der NS-Herrschaft durch Gegenüberstellungen zu entlarven. So ist einem Band mit Vorschlägen und Anregungen zur "Julfestgestaltung" ("Germanisch-deutsche Weihnacht") aus dem Jahr 1934 ein Foto der Modellierwerkstatt des KZ Neuengamme gegenübergestellt, in der Häftlinge Jul-Leuchter und Hitlerbüsten aus Ton fertigen mussten.

Eine in Wien gefertigte, scheußlich-schöne Tapisserie mit Motiven aus dem Nibelungenlied wird konfrontiert mit deutschen Firmen, die unmittelbar am Holocaust beteiligt waren.

Auseinandersetzung bleibt notwendig

Ungläubig betrachtet der Besucher eine Doppelseite aus dem von Gerhart Hauptmann im Sommer 1933 durchgearbeiteten und mit vielen Anstreichungen und Anmerkungen versehenen Exemplar von Hitlers "Mein Kampf". Da ist im Text von "rücksichtslosen Maßnahmen und Eingriffen" die Rede, um die "Versyphilisierung des Volkskörpers" zu bekämpfen - auf der Folgeseite steht Hauptmanns handschriftlicher Eintrag: "Das ist ein grandioser Gedanke".

Hitler und immer noch kein Ende? Dass der Antisemitismus das Gerücht über die Juden sei, hat Adorno schon 1962 festgestellt. Seine Feststellung ist aktuell geblieben. Die fortwährende Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und ihren Nachwirkungen bleibt notwendig.

Der instruktive und reich illustrierte Katalog zur Ausstellung dokumentiert die Schau und enthält 19 kurze und zumeist nützliche Essays zu unterschiedlichen Aspekten des vielschichtigen Themas. Sehr zu empfehlen ist das Begleitheft der Bundeszentrale für politische Bildung: keine bloße Kurzfassung des Katalogs, sondern eine durchaus eigenständige Publikation, die auch ein Glossar und weiterführende Hinweise enthält.

Hans-Ulrich Thamer und Simone Erpel (Hg.): "Hitler und die Deutschen, Volksgemeinschaft und Verbrechen", Sandstein Verlag, Dresden, 2010, 328 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-942422-10-9

"Hitler und die Deutschen, Volksgemeinschaft und Verbrechen, Bausteine für Unterricht und außerschulische historisch-politische Bildung" Themen und Materialien, Bestellnummer 2455, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 48 Seiten, Bereitstellungspauschale 1 Euro www.bpb.de

"Hitler und die Deutschen - Volksgemeinschaft und Verbrechen" Deutsches Historisches Museum, bis 6. Februar 2011, täglich 10 bis 18 Uhr

0 Kommentare
Noch keine Kommentare