Hilfe statt Strafe
Der Freitod ist in Deutschland straffrei. Daher ist auch Beihilfe zum Suizid nicht strafbar. Das sollte auch so bleiben – aus Gründen der Humanität und wegen unserer Verfassung, in der es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Artikel 1) und „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (Artikel 2).
Wunsch nach Selbstbestimmung
Weit mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland wollen im Angesicht einer tödlichen Krankheit, bei unerträglichen Schmerzen oder bei totaler Abhängigkeit von lebensverlängernden Maschinen ihr Lebensende selbst bestimmen.
Wenn die Kirchen das ablehnen, ist das ihr gutes Recht. Dies ist zu respektieren. Dieser Respekt muss aber auch umgekehrt gelten: In einem religiös-weltanschaulich neutralen Staat darf die eigene religiöse Überzeugung nicht anderen aufgezwungen werden – vor allem nicht mit der schärfsten Waffe des Staates, dem Strafrecht.
Nun wird eingewendet, es gebe doch Palliativstationen und Hospize. Davon halte ich sehr viel. Doch wissen wir, dass es Krankheitsverläufe gibt, die auch durch beste palliative Pflege nicht behandelbar sind.
Hinzu kommt: Es gibt Patienten, die wollen solche Angebote nicht wahrnehmen. Spätestens mit dem maßgeblich von der SPD durchgesetzten Gesetz über die Patientenverfügung von 2009 ist klargestellt worden, dass es dafür allein auf den Willen des Betreffenden ankommt.
Recht und Ethos
Die Beihilfe zur Selbsttötung setzt immer voraus, dass der Entschluss zur Selbsttötung von einem urteilsfähigen Erwachsenen freiverantwortlich getroffen wird. Wer hingegen Suizidbeihilfe leistet, wenn der Tatentschluss des Sterbewilligen einer krankhaften Störung entspringt, macht sich schon nach geltendem Recht strafbar. Das soll auch so bleiben.
Es geht nicht nur um Grundrechte der Suizidenten. Das Recht der Ärztinnen und Ärzte, nach eigenem Gewissen und ihrem ärztlichen Ethos Suizidwilligen zu helfen, steht ebenfalls unter dem Schutz der Verfassung.
Es ist auch falsch, die „organisierte Sterbehilfe“ verbieten zu wollen. An Freitod denkende Menschen müssen die Gewissheit haben, sich an Organisationen wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben oder den Humanistischen Verband Deutschlands wenden zu können ohne negative Folgen, wenn sie ihren Suizidwunsch offenbaren.
Wird solchen Organisationen die Hilfsmöglichkeit verwehrt, besteht die ernsthafte Gefahr, dass nur noch begüterte Sterbewillige – entweder geheim in Deutschland oder offiziell im Ausland – ärztliche Hilfe beim Freitod erhalten. Die anderen werden allein gelassen in ihrer Not und greifen oft zu grausamen Mitteln.
Das ist mit Humanität nun sicher nicht vereinbar.
ist ehemalige Verwaltungsrichterin, war bis 1999 Mitglied des SPD-Parteivorstandes und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.