Inland

Heuschrecken rufen nach dem Staat

von Susanne Dohrn · 19. März 2008
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Die Internationalen Finanzakrobaten in der Zirkuskuppel trauen ihren eigenen Fähigkeit nicht mehr, sie rufen nach staatlichen Balancierhilfen und Auffangnetzen. Einer von ihnen - Bear Stearns, die fünftgrößte Investmentbank der Wall Street - ist bereits in die Tiefe gestürzt und wurde erst kurz vor dem Aufschlagen aufgefangen.

83 Jahre lang hatte das stolze Geldhaus, ohne zu wanken, immerfort Gewinne gemacht, um nun innerhalb von Tagen durch Geldabflüsse finanziell auszubluten. Bear Stearns wurde vom Großen Bruder JP Morgan für ein Spottgeld übernommen, das nicht einmal den Wert der New Yorker Bankzentrale aufwiegt. Spätestens jetzt weiß jeder, der es wissen will, was die Stunde geschlagen hat. Solch einen Zusammenbruch gab es in Deutschland zuletzt in der nationalen Bankenkrise des Jahres 1931. Der bisher immer so selbstbewusste Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann, urteilt - sicher zu Recht -, dass die gegenwärtig Banken- und Börsenkrise nur noch im Zusammenspiel mit der Politik zu lösen sei. Tatsächlich gäbe es ohne politische Geldspritzen die Industriekreditbank nicht mehr und ohne den Rückhalt von Sparkassen und Landesregierungen wären gleich mehrere deutsche Landesbanken in der roten Tinte ihrer aberwitzigen Spekulationsgeschäfte "abgesoffen".

Opfer werden ausgesaugt

Die Notenbanken müssen den Geschäftsbanken das Geld geben, das diese sich gegenseitig nicht mehr anvertrauen wollen. Die Geldhäuser erkennen nun, auf welch abenteuerlichen Geschäfte sie sich eingelassen haben, in dem sie beispielsweise die räuberischen Hedgefonds mit Kredit voll pumpten. So arbeitete die illiquid gewordene Carlyle Capital Corporation mit 21, 6 Milliarden Dollar Kredit, dem 31fachen ihres schmalen Eigenkapitals. Die ihnen zur Sicherheit überlassenen Wertpapiere stoßen die Gläubigerbanken jetzt mit Verlust ab. So treibt die Krise die Krise, indem viele Akteure Papiere zu Geld machen müssen, um flüssig zu bleiben. Das lange so profitable Neugeschäft der Kreditierung von Hedgefonds und Unternehmensübernahmen ist weithin zum Erliegen gekommen, so dass die bisher damit beschäftigten New Yorker Investmentbanker nur noch an zwei Tagen in der Woche arbeiten. An die Neubegebung von Aktien, um sich frisches Geld zu beschaffen, ist unter diesen Umständen gar nicht zu denken.

Unter den gegebenen Umständen halten sich profitsüchtige Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften vorerst an den Firmen schadlos, in die sie sich schon eingekauft haben. Dafür gibt es jüngste hässliche Beispiele: Die Finanzinvestoren KKR und Permira, Mehrheitseigner von Pro Sieben Sat 1, nötigen den TV-Konzern dreimal so viel Dividende auszuschütten, wie die erheblich verschuldete Senderkette Gewinn gemacht hat. Auch aus dem Modekonzern Hugo Boss presst Permira eine gewaltige Ausschüttung von insgesamt 445 Millionen Euro heraus, die das Eigenkapital des schwäbischen Unternehmens von 52 auf 20 Prozent der Bilanzsumme herabdrückt. Denn haben die geldhungrigen Heuschrecken ein Opfer erst einmal fest im Griff, so hören sie nicht so leicht auf, dieses auszusaugen.

Irreparable Schäden für die Unternehmen

Die Deutsche Börse war das erste finanzstarke Unternehmen, das sich dem Willen habgieriger Aufkäufer unterwerfen und auf deren Betreiben sogar seine Führung auswechseln musste. Seit Jahren nun tanzt die Deutsche Börse nach der Pfeife der sie beherrschenden angelsächsischen Finanzinvestoren, und sie hat zuletzt, 2007, wieder einmal, sämtliche verfügbare Barmittel an diese ausgekehrt, 330 Millionen Euro in der Form von Dividenden und 425 für den Rückkauf von Aktien.

"Sie fügen den Unternehmen irreparable Schäden zu," urteilt Werner G. Seifert über die Hedgefonds, die ihn zur Aufgabe des Chefsessels bei der Deutschen Börse nötigten. Wie sie das machen? - Die Aufkäufer bürden den übernommenen Firmen die dabei gemachten Schulden auf, erzwingen an die Substanz gehende Ausschüttungen oder schneiden aus dem Unternehmensverband Filetstücke heraus, die sie unter Zurücklassung eines ausgemagerten Restes gewinnbringend und dazu noch steuerfrei verkaufen. Der von Franz Müntefering für die Fonds in Umlauf gebrachte Begriff der Heuschrecken macht das wunderbar anschaulich.

Doch seit Helmut Schmidt in einem Aufsehen erregenden Artikel in der "Zeit" vom Februar 2007 vor diesem gemeinwohlschädlichen "Raubtierkapitalismus" warnte, hat die deutsche wie die internationale Politik nichts Entscheidendes gegen die Firmenplünderer zustande gebracht. Dagegen drohen die immer noch unbeaufsichtigten Fonds mit ihren riesigen, zweifelhaft gewordenen spekulativen Einsätzen Löcher in das Netz der gegenseitigen Finanzbeziehungen der Geldbranche zu reißen, wie es der Ex-Kanzler vorausgesagt hat.

Welche fast prophetische Weitsicht des deutschen "Weltökonomen"!



Schutz vorEigenkapitalräubern


Seit Jahr und Tag, und dieser Tage wieder, gibt es Anzeichen, dass sich die Heuschrecken auch an die ganz großen Dax-Unternehmen heranzumachen beginnen. Zur Zeit sind gewinnsüchtige Aufkäufer dabei, das Reise- und Schifffahrtsunternehmen TUI in Teile zu zerlegen. Allein die heute beinahe allgegenwärtige Drohung solcher Attacken nötigt mittlerweile auch große Firmen, ihre Geschäftspolitik, mit mancherlei Kunststücken, auf die kurzatmige Steigerung des Börsenwertes abzustellen.

Vor solchen "Eigenkapitalräubern" geschützt sind nur Firmen mit großen "Anker-Investoren", die ihren Unternehmen durch dick und dünn die Stange halten. Bosch beispielsweise, eine Stiftung, Porsche, ein Familienunternehmen, oder BMW, gesteuert von der Familie Quandt, befinden sich in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite. So gesehen, hält es Siegfried Jaschinski, Vorstandschef, der LBBW, für einen Fehler, dass wir den Weg für die Auflösung der "Deutschland AG" freigemacht haben, indem wir die Steuer auf Veräußerungsgewinne abschafften.

Wie sich die von ihren Aufkäufern mit Schulden beladenen deutschen Unternehmen - als da sind Grohe, Gerresheimer Glas, Tognum (früher MTU) oder Techem - in den möglicherweise bevorstehenden wirtschaftlich härteren Zeiten bewähren, wird man gespannt verfolgen. Nach einem finanziellen Atemholen steht uns gewiss die nächste Heuschrecken-Invasion ins Haus. Nur eine Begrenzung der Schuldenüberwälzung auf die Übernahmeopfer und eine konsequente Besteuerung der Veräußerungsgewinne könnte den Heuschrecken den Appetit nachhaltig verleiden. Aber das ist ein gesetzgeberisch äußerst schwieriges Terrain, mit dessen Gestaltung sich die Berliner Politik einstweilen für überfordert hält.

Die Politik muss handeln

Mit dem Entwurf eines Risikobegrenzungsgesetzes versucht das von Peer Steinbrück geführte Bundesfinanzministerum zumindest für eine größere Durchschaubarkeit der Transaktionen zu sorgen. Ob das die Fressgier der Heuschrecken zügeln wird? - Die realwirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise drohen zuletzt sogar das Steinbrücksche Ziel eines ausgeglichenen Haushalts auf fernere Tage zu verschieben. Vielleicht ringt sich die Politik doch noch zu Vorschlägen durch, die die Finanzakrobaten für die Zukunft zur Vorsicht nötigt.

(Angaben zum Risikobegrenzungsgesetz finden sich auf den Internetseiten des Bundesministerium der Finanzen - bmf.de - in den Rubriken "Wirtschaft und Verwaltung")

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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