Inland

Heil: SPD-geführte Regierung sagt Kinder- und Zwangsarbeit Kampf an

Zum „Welttag für menschenwürdige Arbeit“ am 7. Oktober kündigt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an, dass eine neue SPD-geführte Bundesregierung den internationalen Kampf gegen Ausbeutung und Armut verstärken wird.
von Lars Haferkamp · 6. Oktober 2021
Klare Ansage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Wir brauchen ein europäisches Lieferkettengesetz, das Menschenrechte und Umwelt wirklich wirksam schützt.“
Klare Ansage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Wir brauchen ein europäisches Lieferkettengesetz, das Menschenrechte und Umwelt wirklich wirksam schützt.“

Hubertus Heil, am 7. Oktober ist der „Welttag für menschenwürdige Arbeit“. Geht es hier weltweit gesehen voran?

Insgesamt braucht der soziale Fortschritt in der Welt mehr Tempo. Es gibt immer noch zu viel Ausbeutung und unmenschliche Arbeitsbedingungen, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Kinderarbeit – damit dürfen wir uns nicht abfinden. Fast 2 Millionen Menschen sterben jährlich aufgrund von Arbeitsunfällen und arbeitsbezogenen Risiken. Etwa 25 Millionen Menschen müssen Zwangsarbeit verrichten. Und weltweit ist die Zahl der Kinder in Kinderarbeit auf 160 Millionen gestiegen – das ist eine Zunahme von mehr als 8 Millionen in den letzten vier Jahren. 
Sozialdemokratie bedeutet, die Perspektive der Schwächsten einzunehmen. Eine SPD-geführte Bundesregierung wird international ihren Beitrag leisten, um den Kreislauf von Ausbeutung und Armut einzudämmen und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Gemeinsam mit der ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation, gilt es, Zwangs- und Kinderarbeit den Kampf anzusagen.

Was muss passieren, damit menschenwürdige Arbeit in der globalisierten Welt überall die Regel wird?

Deutschland hat eine starke Stellung in der Weltwirtschaft. Das bringt aber auch große Verantwortung mit sich, um menschenrechtliche Standards weltweit voranzutreiben. Die Kernarbeitsnormen der ILO sind dabei der wichtigste Bezugspunkt: Etwa das Recht, seine Interessen in freien Gewerkschaften vertreten zu können. Das ist das Mindeste.

Dabei dürfen wir aber nicht stehenbleiben: Ich setze mich dafür ein, dass auch Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz künftig internationale Kernarbeitsnormen werden. Wer mit der Europäischen Union Freihandelsabkommen abschließt, muss die Würde des Menschen und die Würde der Arbeit achten. Auch eine brasilianische Regierung wird akzeptieren müssen, dass die Handelsverträge der Europäischen Union künftig Mechanismen vorsehen, dass diese grundlegenden Standards konsequent durchgesetzt werden. Die Europäische Union ist schließlich eine Wertegemeinschaft. Ich unterstütze daher auch das Vorhaben der EU-Kommission, ein Europäisches Importverbot für Produkte durchzusetzen, die unter Einsatz von Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt wurden.

Was können wir von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung in dieser Frage erwarten?

Ich will in der neuen Wahlperiode weiter vorankommen. Für gemeinsame Standards für unternehmerische Sorgfaltspflichten und nachhaltiges Lieferkettenmanagement. Für eine wertgebundene EU-Handelspolitik, die Arbeits- und Sozial- und Umweltstandards robuster durchsetzt. Es geht um internationales Engagement für eine sozial gerechte Gestaltung der globalisierten Welt, die an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ausgerichtet ist. Ich erwarte, dass auch das Europäische Semester auf diese weltweiten Ziele in Zukunft mehr Rücksicht nimmt. Die Welt hat jetzt die Chance, Nationalismus und Protektionismus zurückzudrängen.

Deutschlands Rolle muss es sein, den Multilateralismus und die internationalen Rahmensetzungen wieder zu beleben. Deshalb freue ich mich auf den Deutschen Vorsitz bei G7. Wir werden die Segel setzen in Richtung gerechter Übergang hin zu moderner und menschenwürdiger Arbeit weltweit und für den strukturellen Wandel zu einer klimafreundlichen Weltwirtschaft.

Die SPD hat in diesem Jahr – gegen massive Widerstände aus der Union – das Lieferkettengesetz durchgesetzt. Was leistet es konkret für menschenwürdige Arbeit?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet große Unternehmen, sich für eine bessere Menschenrechtslage in ihren Lieferketten einzusetzen, etwa bei der Verhinderung von Kinder- oder Zwangsarbeit oder von Gesundheitsgefahren. Es gilt umfassend für sämtliche Branchen, nimmt alle Menschenrechte in den Blick und erfasst eine große Zahl von Unternehmen. Diese müssen nicht nur unmittelbare Zulieferer, sondern die gesamte Lieferkette in den Blick nehmen. Das ist wichtig, weil die gravierendsten Missstände oft tiefer in der Lieferkette liegen.

Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen erhalten erstmalig die Möglichkeit, mit einer Prozessstandschaft den Fall eines Betroffenen vor deutsche Zivilgerichte zu bringen. All das musste der Union und ihren Wirtschaftspolitikern hart abgerungen werden. Ohne die engagierte öffentliche Unterstützung durch Kirchen, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen wäre das nicht möglich gewesen.

Das europäisches Lieferkettengesetz lässt noch auf sich warten. Wie geht es hier weiter?

Wir brauchen ein europäisches Lieferkettengesetz, das Menschenrechte und Umwelt wirklich wirksam schützt und Durchsetzungsmechanismen enthält, die die Betroffenen in ihren Rechten stärken. Wir haben in Deutschland erlebt, wie groß der Lobbydruck gegen klare Regeln zur Unternehmensverantwortung ist. Aber wir haben uns durchgesetzt. Die Gutwilligen in der EU-Kommission brauchen jetzt auch unsere politische Unterstützung. Wir ermutigen EU-Kommissar Didier Reynders, an seinen ehrgeizigen Plänen festzuhalten. Unter der deutschen EU-Präsidentschaft 2020 ist es gelungen den Rat der Europäischen Union zu einem politischen Bekenntnis in diesem Sinne zu bewegen. Das muss auch der Kurs einer künftigen Bundesregierung sein.

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