Haushalt 2021: Mützenich verdeutlicht „sozialdemokratische Handschrift“
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Noch ist es ein Jahr bis zur Bundestagswahl, noch haben die Parteien – mit Ausnahme der SPD – nicht geklärt, wer sie in die Wahl führen soll, doch an diesem Mittwoch ist in der Bundestagsdebatte zum Etat der Kanzlerin bereits so etwas wie Vorwahlkampf zu spüren. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich versucht auch gar nicht, das zu verbergen.
Ohne die SPD wäre vieles nicht möglich gewesen
„Es ist ein Haushalt mit Kraft und Ausdauer“, beginnt er seine Rede. Zum einen gehe es mit dem Haushalt 2021 darum, sich der Pandemie entgegenzustemmen, zum anderen darum, die Zukunft des Landes für Jahrzehnte zu sichern. Man könne das alles gleichzeitig, weil Deutschland ein starkes und modernes Land sei. „Und wir können es eben auch deshalb, weil wir gut vorgesorgt haben“, so der SPD-Fraktionschef bereits in der ersten Minute seiner Rede. Dann fährt er fort: „Ohne die sozialdemokratische Handschrift, ohne Olaf Scholz, wäre vieles davon nicht möglich. Mit seiner großen Erfahrung, Konzentration und dem Willen für Gerechtigkeit kann er unser Land durch die tiefen Umbrüche in den kommenden Jahren führen. Olaf Scholz ist der richtige Kanzler für Deutschland.“
Mit dem Haushalt nehme man Geld in die Hand für Solidarität und Sicherheit, „weil die Menschen in der Pandemie Zuversicht brauchen“. Manche Rede und manche Haltung im Bundestag weise daraufhin, dass viele den Menschen diese Zuversicht nicht geben wollten. „Aber wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen das“, betont Mützenich. Denn die Zuversicht der Menschen sei der Motor für die Zukunft.
Die SPD ist Sachwalterin des Sozialstaates
In der Krise zeige der Staat nun, was er leisten könne. „Es ist der Sozialstaat, auf den es ankommt, gebaut auf Generationen. Und die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Sachwalter dieses Sozialstaats, der so viel Zuversicht und letztlich auch Hoffnung gibt“, so der SPD-Fraktionschef.
Die Demokratie schaffe es besser, mit der Pandemie fertig zu werden als autoritäre Systeme oder populistische Politik. „Autoritäre Systeme warten auf die Zentralen und Populisten wollen das Virus nur mit Sprüchen bekämpfen. Beides funktioniert nicht.“ Nur Demokratien hätten die Kraft und Ausdauer, sich der Pandemie entgegenzustemmen.
Kritik an Selbstdarstellung von Söder und Merkel
Kritik müsse in der Demokratie sein, auch gegenüber der Corona-Politik der Regierung. An die Kritiker*innen richtet Mützenich aber einen Appell: „Augen auf! Klar darüber werden, mit wem man sich gemein macht! Und deswegen sage ich sehr deutlich: Scharlatane, Reichsbürger und Rechtsextreme dürfen nicht dazugehören!“ Sie gehörten weder auf die Treppe des Reichstages noch in den Bundestag.
Deutliche Kritik übt Mützenich in diesem Zusammenhang am Koalitionspartner, konkret an der für 120.000 Euro inszenierten Teilnahme Angela Merkels an der Sitzung des bayerischen Kabinetts unter Vorsitz von Markus Söder in Herrenchiemsee im Juli. „Die Pandemie eignet sich nicht zur Selbstdarstellung. Die Situation ist zu ernst, für weiß-blaue Inszenierungen, für eine plumpe Bildersprache, für Kutschfahrten, für Operettenkabinette im Spiegelsaal.“ Bis heute frage er sich, warum man sich für so etwas hergeben musste, so der SPD-Fraktionschef, ohne Merkel und Söder beim Namen zu nennen.
Kurzarbeitergeld dämpft Arbeitnehmersorgen
„Mit voller Zuversicht und auch mit vollem Stolz“ erklärt Mützenich, es sei richtig gewesen, in der Koalition für die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes zu kämpfen und zu streiten. „Das war nicht so klar gewesen, allen in dieser Koalition.“ Manchmal sei er irritiert, über die „Geringschätzung“ dieser Frage im Bundestag und ihrer Bedeutung für Arbeitnehmer*innen und ihre Familien. Es werde „zynisch“ mit den Sorgen vor Arbeitsplatzverlust umgegangen. „Deswegen stellen wir doch, weil wir Zuversicht brauchen, das Kurzarbeitergeld zur Verfügung. Und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen um jeden Arbeitsplatz und insbesondere um die Zukunft unserer industriellen Basis.“
Elementar zur Bewältigung der Pandemie sei darüber hinaus die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Deshalb habe man den Solidarpakt für die Kommunen beschlossen, der unter anderem die Ausfälle der Gewerbesteuer kompensiere. „Aber strukturell wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mehr“, unterstreicht der SPD-Fraktionschef. Auf die Tagesordnung gehöre weiter, „dass die Kommunen von ihren Altschulden befreit werden“. Denn das schaffe ihnen die notwendige Luft zum Atmen.
Finanzierung durch die, die mehr als genug haben
Über die Frage der Finanzierung der Pandemie-Bewältigung müsse man sich politisch auseinandersetzen. Es sei richtig, im Jahr 2026 mit der Schuldentilgung zu beginnen. Die Steuereinnahmen würden dazu allerdings nicht ausreichen. Deshalb müsse man darüber „politisch streiten, wer zukünftig mehr dazu beitragen kann“. Mützenich lässt keinen Zweifel: „Für uns ist klar, das sind nicht die Alleinerziehenden, das sind nicht die Geringverdiener, das sind nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber diejenigen, die mehr als genug haben, werden in dieser Krise stärker gebraucht. Das ist gerecht. Und ich bin sicher, dass viele das genauso sehen.“
Gegen Ende seiner Rede geht Mützenich, früher außenpolitischer Sprecher der Fraktion, auf die internationale und europäische Politik ein. „Mit aller Bescheidenheit, Frau Bundeskanzlerin“ erinnert er daran, „dass es nicht der Merkel-Macron-Plan war, der der EU einen neuen Schub gegeben hat, sondern es war die Aufforderung des Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und des Finanzministers Olaf Scholz, der im April die Wende in einer Diskussion“ erreicht habe. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus habe „als Erster“ massiv gegen eine gemeinschaftliche Kapitalbeschaffung der EU „gewettert“. Die SPD habe dafür plädiert und am Ende sei es auch so gekommen. „Unterstützen Sie diesen Paradigmenwechsel“, ruft er der Union zu, „Europa braucht es und Deutschland auch“.