Harter Lockdown in Sachsen: Wie konnte Bautzen Corona-Hotspot werden?
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Die größte Stadt in Sachsen ist Hoyerswerda nicht, aber immerhin eine der größten in der Lausitz. Über 30.000 Einwohner leben in der Stadt in der Oberlausitz, die von ihren Einwohner*innen auch „Hoywoy“ genannt wird. Der Ort gehört zum Landkreis Bautzen, der im Zusammenhang mit Corona zuletzt für negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Bautzen kämpft mit Infektionszahlen von über 500 pro 100.000 Einwohner*innen (Stand: Mittwoch, 8. Dezember). Über 120 Menschen sind im Kreis bereits in Folge einer Infektion verstorben, aktuell sind 2000 akut infiziert. Von den rund 300.000 Einwohner*innen im Landkreis sind rund 5000 in Quarantäne, es darf also 1 von 60 Personen die eigenen vier Wände nicht verlassen. Das Virus grassiert inzwischen in mehreren Pflegeheimen.
Der Landkreis Bautzen ist mit dieser Entwicklung allerdings nicht allein in Sachsen. Das ganze Bundesland gehört mit einer Inzidenz von über 300 pro 100.000 Einwohner*innen inzwischen zur traurigen Spitze was die Ausbreitung des Coronavirus und der damit einhergehenden Krankheit Covid-19 angeht. „Bei uns gehen die Zahlen inzwischen ein bisschen runter“, sagt Hoyerswerdas Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh über die Infektionszahlen in seiner Stadt. Das habe damit zu tun, dass Ausbrüche in Seniorenheimen inzwischen erfolgreich bekämpft werden konnten. „Wir stehen nicht mehr an der Spitze im Landkreis, wir haben uns runtergearbeitet“, sagt der Sozialdemokrat. Besorgt bleibt er trotzdem.
Grenzverkehr mit Polen und Tschechien
Denn der Blick über den Tellerrand treibt dem Sozialdemokraten Falten auf die Stirn. „Es gibt in Bautzen Geschäfte, in denen Schilder darauf hinweisen, dass auch Menschen ohne Maske willkommen sind“, sagt er im Gespräch mit dem „vorwärts“. Hinzu komme, dass der Landkreis sehr nah an der Grenze zu Polen und Tschechien liege. „Die hat es aktuell ganz schwer erwischt“, fasst Ruban-Zeh besorgt zusammen. Es sei in der ostdeutschen Region üblich, dass man für Einkäufe regelmäßig die Grenze überquere. „Dieser Verkehr ist in Grenzregionen normal.“ Es ist ein weiterer Faktor, der die Infektionszahlen beeinflusst hat, meint Ruban-Zeh – und ein Blick auf den Nachbarlandkreis Görlitz, der direkt an Polen und Tschechien grenzt, scheint das zu bestätigen: Auch dieser Landkreis hat ähnlich hohe Infektionszahlen.
Außerdem, so der Oberbürgermeister, seien in der Region viele beheimatet, die den Corona-Schutzmaßnahmen skeptisch gegenüberstehen – von Rechtsextremist*innen bis zu Corona-Leugner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen. Der überregional bekannte Protest an der Bundeststraße 96 gegen die Corona-Auflagen habe sich zwar inzwischen „ausgelutscht“, wie Ruban-Zeh sagt, trotzdem lebten die Menschen mit ihren Ansichten eben nach wie vor in der Region. Hinzu kämen die AfD-Politiker*innen in Kreis- und Landtag, die mit ihrem Verhalten entsprechende Strömungen und Skepsis befeuerten. „Die reden sich überall raus“, beklagt er die destruktive Strategie der rechtsextremen Partei.
Köpping spricht von diffusem Infektionsgeschehen
Widerstand gegen staatliche Maßnahmen, Corona-Skepsis, Grenzverkehr – das scheinen Faktoren zu sein, die die Ausbreitung des Virus in Sachsen insgesamt und ganz konkret im Landkreis Bautzen beschleunigt haben. An der Bevölkerungsdichte kann es indes nicht liegen: Sowohl Bautzen als auch Görlitz haben mit steigenden Infektionszahlen zu kämpfen, sind aber beide ländliche Kreise. Die dicht besiedelten Städte in Sachsen, Leipizig, Dresden und Chemnitz indes liegen hingegen deutlich unter dem Landesschnitt. Das Infektionsgeschehen bezeichnet Petra Köpping, SPD-Sozialministerin in Sachsen, als diffus, es gebe viele mögliche Gründe. Die schärferen Corona-Regeln begründet sie damit, dass der Gesundheitsschutz in dem Bundesland gewährleistet sein müsse.
Die schwarz-rot-grüne Landesregierung rechtfertigt den scharfen Lockdown ab Montag mit einer drohenden Überforderung des Gesundheitssystems. Landesweit gibt es kaum noch freie Intensivbetten. „Die Lage ist ernst", warnte SPD-Sozialministerin Petra Köpping schon vor Wochen, Ministerpräsident Michael Kretschmer nennt die Lage nun „gefährlich“. Während Sachsen in der ersten Welle kaum Infektionen zu verzeichnen hatte und bis in den Spätsommer auf niedrigem Niveau blieb, kämpft es jetzt mit einer starken zweiten Welle. Bis weit in den Herbst setzte Kretschmer noch auf Eigenverantwortung, auf lockere Auslegung der Corona-Regeln. Nun schließen ab Montag Kitas, Schulen und der Einzelhandel mit Ausnahme der lebensnotwendigen Grundversorgung. Der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ist ab Montag untersagt, stattdessen gibt es eine generelle Maskenpflicht in der Öffentlichkeit mit nur wenigen Ausnahmen. Bautzen und Görlitz ziehen einige dieser Maßnahmen bereits auf Donnerstag vor.