Inland

"Hände weg!"

von Mathias Ostertag · 18. September 2010
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vorwärts: Herr Wucherpfennig, das Jugendarbeitsschutzgesetz setzt enge Grenzen für die Beschäftigung von Jugendlichen. Wie sind die Arbeitszeiten von Jugendlichen geregelt? Ab welchem Alter dürfen diese grundsätzlich arbeiten?

Wucherpfennig: Es existiert eine klare Grenze und daher dürfen Jugendliche unter 15 Jahren nicht arbeiten. Bis zum 18. Lebensjahr fallen arbeitende Jugendliche unter Einschränkungen für ihre Tätigkeit. Das bedeutet, dass sie nur zu bestimmten Tageszeiten und nicht an Wochenenden eingesetzt werden dürfen. Es gibt aber auch Sonderregelungen, etwa fürs Fernsehen oder Theater. Die sind aber sehr eng gesetzt. Grundsätzlich dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr als 8 Stunden täglich und insgesamt 40 Stunden in der Woche einer Beschäftigung nachgehen.

vorwärts: Warum wurde 2006 eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern eingeführt, die Vorschläge einer Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes erarbeiten sollte?

Diese Arbeitsgruppe ist damals entstanden, als einige Bundesländer damit gedroht haben, den Jugendarbeitsschutz durch eine Bundesratsinitiative aufweichen zu wollen. Das Ansinnen der Bundesländer war, die Arbeitszeiten auszuweiten, konkret eine Regelarbeitszeit bis 23 Uhr durchzusetzen. Weiter wurde darüber nachgedacht, die Landesausschüsse für Jugendarbeitsschutz abzuschaffen und Bestimmungen über die Schichtarbeit und die Wochenendarbeit von Jugendlichen aufzuweichen.
Die Arbeitsgruppe will Anfang November die ersten Ergebnisse vorstellen. Der DGB wird darauf reagieren.

vorwärts: Das Jugendarbeitsschutzgesetz sorgt für Ausbildungshemmnisse - sagen einige Arbeitgeber oder Politiker. Wie antwortet die DGB-Jugend auf diese These?

Diese Aussage ist absolut unverständlich. Welche Ausbildungsangebote können denn an Wochenenden anders als an Werktagen vermitteln werden? Was wird Jugendlichen nach 22 bzw. 23 Uhr zusätzlich beigebracht? Für uns ist das absolut nicht nachvollziehbar. Das ist aber der Weg, den einige Arbeitgeber gehen, um den Jugendarbeitsschutz auszuhöhlen.

vorwärts: Welche Maßnahmen ergreift die DGB-Jugend, um gegen die weitere Aufweichung des Jugendarbeitsschutzes vor?

Mit unserer DGB-Kampagne "Hände weg!" wollen wir den Leuten im Betrieb, in der Verwaltung oder in der Schule vermitteln: Es gibt dieses Jugendarbeitsschutzgesetz, weist darauf hin und sensibilisiert Jugendliche und Arbeitgeber dafür. Wir suchen mit dem ein oder anderen Abgeordneten das Gespräch, wie auch mit Landtagsfraktionen oder Landesregierungen. Wir wollen erreichen, dass darüber diskutiert wird, wie ein verbesserter Jugendarbeitsschutz aussehen kann.

vorwärts: Beschäftigungsverbote an Wochenenden sollen teilweise aufgehoben werden. Warum geht der DGB gegen die Wochenendarbeit vor?

Natürlich gibt es Jugendliche, die würden auch samstags oder achtzig Stunden in der Woche arbeiten. Das Jugendarbeitsschutzgesetz hat aber den Auftrag, den Einstieg für Jugendliche ins Arbeitsleben zu erleichtern. In diesem Fall heißt das Grenzen zu setzen, also gesetzliche Grenzen vorzugeben, damit die Jugendlichen geschützt werden. Vielen Unternehmen geht es gar nicht darum, Jugendliche an einem Samstag zusätzlich ausbilden zu wollen, sondern auf "billige Arbeitskräfte" zurückgreifen zu können. Diesem "Ausbeuten" wird durch das Jugendarbeitsschutzgesetz eine Grenze gezogen.

vorwärts: Wie kann auf Verstöße gegen den Jugendarbeitsschutz, auch von Seiten des DGB, reagiert werden?

Es gibt die hoheitliche Aufgabe der Länder, die Einhaltung des Jugendarbeitsschutzes zu überwachen. Bei Verstößen müssen diese eingreifen. Eine wichtige Rolle spielen auch die Landesjugendarbeitsschutzausschüsse. Dort sitzen wir Gewerkschaften und die Arbeitgeber und lassen uns von den zuständigen Stellen des Landes berichten. Außerdem haben wir in den meisten Betrieben Betriebs- und Personalräte sowie Jugendauszubildendenvertretungen. Die haben vom Gesetz her den Auftrag, die Einhaltung der Regeln des Jugendarbeitsschutzes zu überwachen.

vorwärts: Sind denn viele Jugendliche in ihrer Ausbildungszeit gewerkschaftlich organisiert?

In großen Betrieben, wo Personal- oder Betriebsräte vorhanden sind, ist davon auszugehen, dass der Großteil der Jugendlichen gewerkschaftlich organisiert ist. In kleineren Betrieben, also im Einzelhandel oder beim Friseurhandwerk, ist es natürlich schwieriger für uns. Viele Kleinstbetriebe erreichen wir gar nicht.
Wir sind als DGB daher mehrmals im Jahr an den Berufsschulen unterwegs, um Jugendliche über ihre Rechte aufzuklären und sie für die Gewerkschaft zu werben. Von den jährlich neu geworbenen Mitgliedern des DGB sind bis zu 60 Prozent Berufsanfänger.


Interview: Mathias Ostertag

Das Jugendarbeitsschutzgesetz ist ein Schutz für jugendliche Arbeitnehmer unter 18-Jährigen. Ziel des Gesetzes ist es, jungen Arbeitnehmern den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern. Konkret sollen der Wochenarbeitszeit Grenzen gesetzt werden und der Einsatz an Wochenenden untersagt werden. Jugendliche sollen außerdem nach 22 Uhr nicht mehr arbeiten.

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